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Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 45
Besprechungen



Zeitlupe # 25. 28 Seiten, s/w mit Farbcover DIN A5, 3 Mark. Tim „Igel“ Böhm, Ludwigshafener Straße 21 D, 76187 Karlsruhe.
 
Auch in der neuesten Ausgabe von Tim Böhms Fan-zine liegt der Schwerpunkt deutlich auf Comics. Neben seinen eigenen Arbeiten - sein Strich wird immer runder und perfekter - hat er schon eine beachtliche Riege von Gastzeichnern in seinem Heft versammelt, alle aus dem Funny- und Cartoonbereich. Artikel über Igels neuen Trickfilm, eine SWF-Radiosen-dung sowie ein Kochrezept von Oma runden das sympathische Zinchen ab. hg
 
cOMIc # 19 und 20. Je 28 Seiten, s/w (Umschlag auf farbigem Papier) DIN A5. Nur im Tausch gegen Beiträge und andere Fanzines. Gerd Bonau, Eckernförder Straße 30, 24398 Karby.
 
Auf ganzen 19 Seiten präsentiert die Nummer 19 ein neues Abenteuer von „Lyle & Phönix“ von Britta Loose. Trotz einiger graphisch interessanter Ansätze überwiegt bei ihrem Comic um Privatfernsehen, Sekten und Drogen der Eindruck totaler Verworrenheit. Im Heft 20 gibt’s wieder die bewährte bunte Mischung verschiedenster Stile und Qualitätsstufen. hg
 
Heikes Läspen Comics # 3. 16 Seiten, s/w plus handcoloriertes Cover, DIN A6. 2 Mark zuzüglich Porto. Heike Anacker, Rheydter Straße 100, 41065 Mönchengladbach.
 
Die dritte Ausgabe von Heikes kleinem feinem Zinchen bringt nicht, wie gewohnt, Kurzgeschichten und Illus, sondern eine durchgehende Story über Piratinnen-Action. Sex & Crime aus Frauensicht? Für Lesben und alle anderen Menschen, die Comics mögen. hg
 
Menschenblut
# 20. 40 Seiten, s/w plus vierfarbiger Umschlag, Comicbook-Format. 6,80 Mark. Eisenesser Comix, Postfach 1141, 36094 Petersberg.
 
Bilder-Micky hat Nachschubprobleme; der Zeichnernachwuchs verbringt seine Nächte wohl lieber damit, sich ein paar schlüpfrige Videos reinzuziehen, als sich ans Zeichenbrett zu setzen. Es zeugt von der besonderen Qualität des Magazins, daß man von der Materialnot überhaupt nichts merkt. Daß Geiers „Sternschnuppe“, eine nette Variation der Meteoritenstory aus Romeros „Creep-Show“, schon zehn Jahre alt ist, erkennt man höchstens an der Signatur. Und daß Mille wohl erst nach einigen kräftigen Tritten in den Hintern Rochus Hahns superbe Story „Der Wal“ fertiggezeichnet hat, braucht die Leser nicht zu kümmern. Ein komplexbeladener Versicherungsangestellter mit einer monumentalen Tätowierung auf der Brust, die aber nicht wie gehofft sein Selbstbewußtsein hebt, sondern ihn ins Verderben stürzt - das ist beste EC-Tradition. Nur „Coup de Grace“ von Rojó - auch schon ein älterer Comic - fällt ein bißchen ab; dem Stellungskrieg 1916 in Frankreich originelle Aspekte abzugewinnen, ist zugegeben ziemlich schwierig. Das Cover stammt von Meister Bi-Mi persönlich. Plus: Ein Bericht von der ICOM-Preisverleihung in Hamburg, bei der „Menschenblut“ zum besten Independent-Comic 1995 gewählt worden ist, ein kenntnisreicher Überblick über japanische Zeichentrickfilme und für Abonnenten noch ein bißchen „vertrauliches Matrial“, vornehmlich Dünnschiß-Funnies. aa
 
Art Attack
# 4. Fanzine für Comics und Musik. 52 Seiten, s/w DIN A4. 3 Mark. Angi Henn, Dreieichweg 9, 64291 Darmstadt.
 
Das Fanzine aus der Punk-Szene bewegt sich mit der neuen Ausgabe noch etwas weiter von den Comics weg. Wir finden zwar nach dem Aufruf im letzten PLOP, Angi mit weiterem Comicmaterial zu versorgen, jetzt ein paar alte Bekannte wieder: Karsten Schley, Olaf Bathke, Benjamin Brandt, Hubert Wenig. Aber der interessantere Teil des Hefts sind eindeutig die Bandinterviews (unter anderem mit den klasse „Dog Food Five“), Plattenkritiken und Rezensionen von uns weithin unbekannten Fanzines aus dem Punk- und Ego-Bereich. Wie dem auch sei, Angi Henns Grenzgängerei verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. Vielleicht wird Art Attack zum Scharnier zwischen Comicfreaks und anderen Szenen. Das wär’ doch was. aa
 
Weißblech / Koma Comics # 6 und 7. Je 36 Seiten, s/w DIN A5. 2,50 Mark. Edition Weißblech, An der Landstraße 5, 23758 Kükelühn.
 
Ein Fanzine wie in alten Zeiten: Klein, schwarzweiß und in miesester Kopierqualität (zumindest das mir vorliegende Exemplar von # 7). Der Inhalt: Jeweils ein - wohl autobiografisch inspirierter - Comic über Paadies mit Komasaufen und Abkotzen - Werner läßt grüßen - und die Fortsetzung einer mäßig gezeichneten Fantasysaga über Biersäufer und Kiffer auf dem Drogenplaneten Alcoholic. Also mir ging die Einseitigkeit der Thematik nach zwei Heften ziemlich auf den Geist. hg
 
Flupp
# 1. 36 Seiten, s/w mit zweifarbigem Umschlag DIN A4. 3,50 Mark. Flupp Enterprises c/o Christoph Hans, Wilhelm-Hein-rich-Straße 22, 66117 Saarbrücken.
 
„Comix aus dem Saarland“ bietet Christoph Hans uns an, und was er da überwiegend im Alleingang und in einem flotten, recht sparsamen Strich gezeichnet hat, weiß durchaus zu überzeugen. Bei der ersten Geschichte, die von einer exzessiven Party handelt, dachte ich, da ich das Heft gleich nach den Koma Comics zur Hand genommen hatte - zwar: „Nicht schon wieder!“ Aber alles in allem sind die hier versammelten Stories sehr abwechslungsreich und überwiegend wirklich witzig. Fazit: Viel Kurzweil für wenig Geld. hg
 
Zebra # 13. 40 Seiten, s/w DIN A4. 4,80 Mark. Georg K. Berres, Giselher Straße 19, 50739 Köln.
 
Die Zeiten, da die Zebra-Redaktion ihr Heft praktisch im Alleingang produziert hat, sind endgültig vorbei. In der neuen Ausgabe begnügt sie sich mit der Safari-Story „Untamed Love“, dem Daniela-Abenteuer „Rückkehr in den Sumpf“, der unvermeidlichen Redaktionskonferenz und zwei, drei Griffen ins Archiv. Aber der Kreis derer, die Zebra auf keinen Fall sterben lassen wollen, ist groß und namhaft. Diesmal erzählt Haggi Klotzbücher den Kinokult „Casablanca“ weiter, und Volker Reiche steuert die skurrile Geschichte „Cururupu“ bei. Wie viele Satiriker auf der Höhe ihres Schaffens driftet Reiche zunehmend in eine düster-groteske und kafkaeske Welt ab. Bemerkenswert fand ich aber vor allem, daß dieser Zeichner, der sich schon im Underground (zum Beispiel in den „Hinz & Kunz Comix“) tummelte, als die meisten von uns noch „Silberpfeil“ oder „Kobra“ gelesen haben, sich überhaupt noch für die Fanszene engagiert. Auch das Cover stammt übrigens von Reiche. Allein sein Beitrag lohnt die Anschaffung des neuen Zebra. aa
 
Unangenehm # 2. 84 Seiten, s/w DIN A4 mit Farbcover. 7 Mark. Rainer Penk, Dö-scher Straße 15, 22083 Hamburg.
 
„Sex & Drugs & Rock’n’Roll“ sollen die Themen von Unangenehm # 2 bis 4 sein, wobei man mit dem letzten der drei angefangen hat. Als alter Fanzine-Konsument fragt man sich unwillkürlich: Wo wurden all diese guten Zeichner und Zeichnerinnen bisher versteckt gehalten? Natürlich sind die Beiträge sehr unterschiedlich ausgefallen, manches doch zu experimentell geraten bis hin zu Seiten, auf denen absolut nichts mehr zu erkennen ist, aber insgesamt überwiegt ein äußerst positiver Eindruck, und man kann zum Kauf des Albums nur raten. hg
 
Harald „Sack“ Ziegler: KaufHouse. 24 Seiten, s/w / zweifarbig, Zwischenformat. 4,99 Mark. Harald Ziegler, Eupener Straße 42, 50933 Köln.
 
Harald „Sack“ Ziegler, bisher mehr im musikalischen Underground tätig, hat sein erstes Comicheft kreiert. Mit minimalistischem Strich erzählt er hauptsächlich skurrile Episoden um einen jungen Mann, der in einem Kaufhaus wohnt. Man hat das Heft zwar schnell durch, kann es aber immer wieder zur Hand nehmen. Wer sich’s bestellt, sollte auch gleich ein paar von Sacks genialen Cassetten ordern. Titel wie „Gott sei Punk“, „Schnapp Flopp Fetz“ oder „Zehn Meter langes Regal kippte um“ sprechen doch für sich, oder? hg
 
Ilsemann # 1. 40 Seiten, s/w mit farbigem Umschlag, Comic-Book-Format. Liegt in Hannover gratis aus, überall sonst auf Anfrage: KariCartoon Verlag c/o Manfred Ilsemann, Fössestraße 12, 30451 Hannover.
 
Der Comicstrich macht Schule, und die durch Anzeigen finanzierten (wenn’s klappt) Gratis-Comicmagazine schießen überall wie Pilze aus dem Boden. Ilsemann aus Hannover macht dabei mit den professionellsten Eindruck. Der Schwerpunkt des Heftes liegt im Bereich Funny. Etwas problematisch könnte es sein, in einem vierteljährlich erscheinenden Magazin gleich drei Fortsetzungsgeschichten aufzunehmen (die aber durchweg in der Lage sind, Lust auf mehr zu machen). hg
 
The Kainsmal # 3. 28 Seiten, s/w mit zweifarbigem Cover DIN A4. Für nix in Gießen, ansonsten mal anfragen bei: Hanspeter Ludwig, Gartenstraße 5, 35435 Wettenberg-Wißmar.
 
Das zweite Gratis-Magazin, das mir vorliegt, kommt aus Gießen und legt seinen Schwerpunkt im Bereich Experimentelles/Underground. Es sind durchaus interessante Arbeiten dabei, aber ob man mit diesem Material neue Leserschichten für das Medium Comic interessieren kann, ist fraglich. hg
 
Wock Classics. Early Years of Herod Comics. 16 Seiten, s/w DIN A5. Kurumpu Quality Publications, Kürenbergweg 2, 45279 Essen.
 
Die meisten Fanzeichner bewahren tief versteckt irgendwo im Schrank ein paar Schulhefte oder Malblocks mit ihren allerersten Comics auf. Sowas zeigt fast niemand freiwillig vor - zu peinlich sind die Dokumente zeichnerischen Unvermögens, plumper Kopien der damaligen Lieblingscomics; das alles hat man zum Glück weit hinter sich gelassen. Herod ist meines Wissens der erste, der seine frühen Comics  nun veröffentlicht hat. Das Heft hat er mir gratis zugeschickt, nicht zum Rezensieren, sondern verbunden mit der Aufforderung, meine Frühwerke doch auch mal zu publizieren. Zu meinem Glück ist das schwierig - alles, was ich nicht veröffentlicht habe, ist nur mit Bleistift gezeichnet und kaum reproduzierbar. Aber Herod ist vielleicht der einzige, der sich für seine ersten Gehversuche im Medium Comic nicht zu schämen braucht. Klar, er war noch nie ein exzellenter Zeichner; seine Comics von 1980 sehen also nicht viel schlechter aus als heute. Verblüffend ist aber, daß Herods kapriolenschlagender, parodistischer Humor von Anfang an voll ausgeprägt war. Die Wock Classics sind ideensprühende Superheldenparodien, vielleicht noch unbekümmerter und munterer als in späteren PLOP-Zeiten. Sehr empfehlenswert. aa
 
Kromix # 8. 80 Seiten, s/w plus vierfarbiger Umschlag DIN A4. 9,80 Mark. Totenkopf-Verlag Stefan Riedl, Müllerstraße 56, 80469 München.
 
Mit dieser Ausgabe verabschieden sich Ralf Palandt und Stefan Riedl fürs erste vom Magazinmarkt - Schwierigkeiten beim Vertrieb und daraus resultierend unbefriedigende Umsätze zwingen sie dazu. Schade, denn auch wenn - oder gerade weil? - der Schwerpunkt des Heftes immer auf „strange“ und „experimentell“ lag, war es jedesmal eine Bereicherung für die deutsche Comiclandschaft. Bleibt zu hoffen, daß auch wieder andere Zeiten kommen. hg
 
Artige Zeiten # 5. 32 Seiten, s/w plus vierfarbiger Umschlag, Comicbook-Format. 8 Mark. Reprodukt; zu beziehen über Jochen Enterprises, Möckernstraße 78, 10965 Berlin.
 
Andreas Michalke, der häßliche Deutsche, und seine Freundin Minou Zaribaf erzählen wieder auf ihre sehr persönliche Art Geschichten, die das Leben schrieb. Ein Heft, das in keiner anspruchsvollen Comicsammlung fehlen darf. hg
 
Phil: Always Ultra
. 36 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, Comicbook-Format. 7,70 Mark. Jochen Enterprises, Möckernstraße 78, 10965 Berlin.
 
Vorweg: Ich bin Phil-Fan. Deshalb möchte ich auch unbedingt auf seine neue Publikation hinweisen. Leider wird es aber ein Verriß. Dafür kann Phil nichts, aber die Leute von Jochen verdienen eine Verwarnung für ihre Schnapsidee, ein „schönes“ Heft mit Phil-Comics zu produzieren. Da passen dann halt Form und Inhalt überhaupt nicht zusammen, und das mindert schon ein wenig das Lesevergnügen. Die Zitty-Leute machen das wesentlich besser. Von Zeit zu Zeit stellen sie einen dicken Band mit Comics und Satiren aus ihrem Stadtmagazin zusammen und werfen den billig auf den Markt. In dieser Ausstattung gibt’s auch einen sehr empfehlenswerten Phil-Sammelband. Always Ultra dagegen ist irgendwie so, wie Woody Allen das Leben sieht (leicht abgewandelt): Zu glatt, sauber, langweilig, und dann ist es auch noch viel zu schnell vorbei. Trotzdem ist Always ultra natürlich um Längen besser als jeder Werner- oder Tom-Band. aa
 
Burkhard Ihme: Reino # 7 - 20 Jahre Peinlichkeit. 36 Seiten, s/w DIN A4. 14,80 Mark. Buch Musik und Film Verlag Burkhard Ihme, Danneckerstraße 12, 70182 Stuttgart.
 
Zum 20jährigen Jubiläum seines Antihelden Reino legt Burkhard Ihme eine Dokumentation vor, in der er jeden auch noch so wirren Gastauftritt seines leidgeprüften Liedermachers mit gewohnter Akribie zusammengetragen hat. Wahrscheinlich werden sich nur eine Handvoll eingefleischter Reino-Fans finden, die bereit sind, dafür 14,80 Mark hinzublättern. Wer sich aber bisher nicht aufraffen konnte, sich die - durchaus lesenswerten - Alben des Stuttgarter Szene-Unikums zuzulegen, sei auf die parallel erscheinende Sammelbox mit allen Reino-Alben einschließlich dieses Hefts sowie eines handsignierten Farbdruckes verwiesen, die für 60 Mark beim Verlag erhältlich ist. hg
 
Haimo Kinzler: Wüttner 3 - Urwüttner. 136 Seiten, s/w mit Farbcover, Paperback DIN A5. 19,80 Mark. Zwerchfell Verlag Christian Heesch, Tonndorfer Strand 57, 22045 Hamburg.
 
Mit dem dritten Band der Serie läßt Haimo Kinzler seinen Wüttner quasi zu seinen Ursprüngen zurückkehren: Das in diesem Buch veröffentlichte Material entstand bereits vor den ersten beiden Zwerchfell-Bänden und den Caiser-Stories. Das heißt nun nicht, daß man versucht, noch eine schnelle Mark zu machen, indem man den geneigten Leser mit ollen Kamellen abspeist. Zeichnerisch überarbeitet und dem Zwerchfell-Format angepaßt braucht sich die Geschichte auch inhaltlich nicht hinter ihren Nachfolgern zu verstecken. Die von Haimo Kinzlers Comics gewohnte Zwerchfellmassage ist auch diesmal garantiert. hg
 
Sigi Sparbier, der pfiffige Aushilfsbriefträger # 1. 36 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, Piccoloformat. Comic Archiv Jürgen Metzger, Hamburger Straße 146, 90766 Fürth.
 
Sigi Sparbier hat zwar ein massiges, entschlossenes Kinn, aber sonst der bösen Welt nur viel naive Unternehmungslust entgegenzusetzen. Seinen neuen Briefträgerjob stellt er sich wie eine große Abenteuerreise vor. Die hinterhältigen Kollegen legen ihn gleich mit einem kniffligen Auftrag rein. Aber gerade dadurch wird Sigis Tour wirklich zum Abenteuer. Einem Wissenschaftler, dem er einen Brief bringt, muß er als Versuchskaninchen herhalten. Der verrückte Professor möchte Materie von einer Kabine in eine andere transferieren. Bevor eine Fliege das Experiment stören kann, ist der Piccolo schon zuende. Haggi hat es sicher gedrängt, eine soeben erfundene neue Figur ins brausende Comicleben zu stürzen. Zu wenig Gedanken hat er sich jedoch gemacht, welche Geschichte er mit seiner neuen Figur erzählen könnte. Was er hier schildert, könnte auch Fred, dem Gärtner, Hugo, dem Straßenkehrer, oder Bernie, dem Finanzbeamten, passieren. Würde Haggi nicht immer mit so viel Schwung und Liebe zum Detail erzählen, wäre ich auf die Fortsetzung namens „Der Kartoffelbreimann“ nicht die Bohne neugierig. aa
 
Levi 94: Der dicke Onkel. Voll fette Gags im dünnen Gewand. 16 Seiten, s/w Postkartenformat, handgenäht. Im Tausch erhältlich bei J. Kopperschläger, Torfweg 17A, 32425 Minden.
 
Der Untertitel übertreibt keineswegs. Levi 94 ist eine der eigenwilligsten Gestalten der Szene, der es konsequent nur auf Kommunikation mit seinen Fans abgesehen hat. Deshalb gibt’s seine liebenswert zusammengeschusterten Fanzines auch nur gegen an-dere Einsendungen, bevorzugt andere Zines. Laßt Levi nicht hängen. aa
 
Bill Willingham: Ironwood, Band 1 und 2. Je 64 Seiten. Gilbert Hernandez: Birdland. 80 Seiten. Schwarzweiß, Soft-cover, Comicbookformat. Comicpress Verlag, Holzäcker Straße 32, 91353 Wimmelbach.
 
Pornographische Comics kennen nur ein Ziel: Sie wollen ihre zumeist männlichen Leser ohne Umschweife scharf machen. Aber das ist, stellt man nur ein Minimum an Ansprüchen, leichter gesagt als getan. Die Konstruktion eines pornographischen Szenarios ist keineswegs einfach. Einerseits mündet die bloße Aneinanderreihung von Kopulationsszenen nach wenigen Seiten in erbarmungslose Monotonie. Wer nur den Unterleib anzusprechen versucht, spricht ihn speziell gar nicht mehr an. Andererseits droht der ernsthafte Versuch, eine Geschichte zu erzählen, das eigentliche Anliegen des Comics in den Hintergrund zu drängen. Wer nicht nur den Unterleib anzusprechen versucht, spricht schnell nur noch den Kopf an. Ein Dilemma ohne Ausweg? Die meisten pornographischen Comics suchen sich aus ihm zu retten, indem sie Geschichten erzählen, die nur einen Vorwand für die Entfaltung sexueller Aktivitäten bilden. So soll der Leser zugleich erregt und unterhalten werden. Bill Willingham läßt im wilden, wilden Wald von „Ironwood“ eine junge Dame namens Pandora Breedlswight den Abenteurer Dragavon anheuern. Der freche Elfe soll sie zu dem berühmten Zauberer Gnaric führen. Nur dieser verfügt über die Mittel, Pandora von dem Dämon zu befreien, der ihre Familie seit Generationen verfolgt und in den sie sich mitunter verwandelt. Als Lohn für Gnaric führt Pandora den legendären Lazarus-Dolch mit sich. Hinter dem sind aber auch die obligatorischen Bösewichter, allen voran eine attraktive Kopfgeldjägerin, her. Es ist unübersehbar: Willingham hat tief in den Fundus der Fantasyliteratur gegriffen. Leider ist die Geschichte, die er sich zusammengeschraubt hat, alles andere als spannend. Sie besteht nur aus Versatzstücken, die nach tausendfachem Einsatz besser weiter still vor sich hin gerostet wären, anstatt noch einmal in den Dienst gezwungen zu werden. Jeglicher Erzählrhythmus wird zudem durch die ausgedehnten Sexszenen - auch Freunde der lesbischen Liebe kommen reichlich auf ihre Kosten - zerstört. Nach über 100 Seiten tritt die episch angelegte Serie immer noch auf der Stelle. Der scheinbare Ausweg aus dem Dilemma ist nur ein fauler Kompromiß, über den auch die handwerklich soliden, der genretypischen Massenproduktion überlegenen Zeichnungen nicht hinwegtäuschen können. Erregt wird der Leser durch „Ironwood“ vielleicht, unterhalten sicher nicht. Es sei denn, er gibt sich mit jenem Vergnügen zufrieden, das der Autor ihm mehrfach mit penetrantem Augenzwinkern empfiehlt: „Habt jetzt Euren Spaß. Aber ein bißchen vorsichtig, das Album ist nicht abwaschbar.“ Ein gutes Stück besser geschrieben ist „Birdland“. Gilbert Hernandez ist etwas durchaus Originelles gelungen: ein parodistisches Porno-Melodram. Erzählt wird die Geschichte einer doppelten unglücklichen Liebe im Milieu hispanoamerikanischer Yuppies. Der Anwalt Mark Herrera ist mit der Psychiaterin Fritzi verheiratet. In diese ist sein Bruder Simon verliebt, genauso wie Fritzis Schwester Petra in Mark. Fritzi ist frigide, verkehrt aber heimlich sexuell mit ihren hypnotisiert auf der Couch liegenden Patienten. Mark betrügt sie derweil mit zwei munteren Stripperinnen und seiner ersten Ehefrau, liebt in Wahrheit aber nur seine Angetraute, die ihn dauernd zurückstößt. Natürlich sind all diese Herzensqualen, die am Schluß gar wundersam von einigen im Stadtpark gelandeten Außerirdischen (!) gelöst werden, erneut nur der Vorwand, um alle zwei, drei Seiten sexuell die Post abgehen zu lassen. Trotzdem hat die höchst verwickelte, hier nur fragmentarisch wiedergegebenen Story ihren Charme: Sie ist so abstrus und an den Haaren herbeigezogen, daß es schon wieder Spaß macht, sie zu lesen. Das elaborierte Storytelling, das „Love and Rockets“ auszeichnet, wird lustvoll ins Lächerliche gezogen. Einige mit Alliterationen vollgestopfte Dialoge sind von geradezu majestätischem Pomp. Völlig übertrieben schließlich die Sexszenen: Die Brüste und Glieder der Agierenden sind riesig, das Sperma fließt in Strömen, und die Ejakulationen schießen wie Fontänen hervor. Von derselben falschen Naivität, die der Geschichte eignet, sind auch Hernandez’ Zeichnungen.Stets sind sie kurz davor, ganz ins Rustikal-Derbe oder ganz ins Urban-Elegante umzuschlagen, wahren aber letztlich eine merkwürdige Balance. Auch zeichnerisch ist „Birdland“ die unmögliche Synthese aus einem modernen Autorencomic und den Eight Pagers vergangener Zeiten. Große Kunst ist hier nicht entstanden, aber immerhin ein grotesk überdrehter Edelporno, dessen Autor es sichtlich Spaß gemacht hat, alle in „Love and Rockets“ gepflegte Seriosität für einige Zeit über Bord zu werfen. Hans Lucas