(Plop Online Comics, hier klicken)  
Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 69
Besprechungen


Hüftschwung. Die Bewegung # 1. 64 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5, 5 Euro. Marion Müller, Kempener Straße 31, 50733 Köln, moriak@gmx.de
 
Es gibt kaum Fanzines von Frauen (PLOP war mal eins), aber wenn man eines in der Hand hat, braucht man sich nicht darüber zu wundern, daß es ein wenig anders sein kann. Da geht es um solche Dinge wie den Terror der Magersucht oder, wie man „kniefrei hübsch sitzt“. Marion Müller, die den Großteil ihres Magazins mit eigenen Beiträgen bestreitet, beschreibt elliptisch, aber ziemlich konkret Situationen ihres Lebens und ihre Gefühle. In der wohl typischsten Geschichte reflektiert sie die Leichtigkeit einer Liebe im Sommer und die Ernüchterung und Trauer, wenn der Sommer vorbei ist. Zwischendurch kommen auch andere Zeichner zum Zug, der bekannteste von ihnen Klaus Cornfield mit einer „Fou-Fou und HaHa“-Episode, zudem Petrik Niswand, Jule Kruschke, Britta Gorski und Rainer Knepperges. Und wie ihre Kollegin Birke vom leider eingestellten „Kreativo!“ nimmt Marion Müller auch gern Gedichte und literarische Texte in ihr Heft auf. Vielleicht kommt im übrigen nur eine Frau darauf, die ersten und letzten beiden Innenseiten des Heftes quasi wie bei einem Buch leer zu lassen. -aa
 
Ashcan # 1. 24 Seiten, s(w mit Farbumschlag, DIN A 5, 2 Euro. Fastfood Fiction c/o Fritz Saalfeld, Schäferstraße 22, 20357 Hamburg, www.fastfoodfiction.de
 
Natürlich ist es nicht verboten, sich das Cover seines Fanzines vom aktuellen Marvel-„New Mutants“-Zeich-ner malen zu lassen, weitere begabte Amis ins Heft zu holen und nicht einmal, sich ein Pin-up des bekannten Mangazeichners Robert Labs zu besorgen und dann mit ihm kräftig Werbung zu machen. Wenn das Fanzine damit zu einem einmaligen Verkaufserfolg wird – warum nicht? Aber ich bin nicht ganz sicher – es sieht halt trotzdem noch wie ein Fanzine aus. Und es wirkt schon etwas eigenartig, daß gerade mal 13 Seiten in dem Heft von der Stammcrew kommen. Jonas Alsleben und die Brüder Saalfeld, die auch teilweise zusammenarbeiten, liefern ganz passable Arbeiten ab. Die Stefani-Comics erinnern an Haggis kleinen Hartmut. Aber ich weiß jetzt nicht, ob ich lieber ein richtiges Fanzine von den Vieren sehen würde, in dem sie vielleicht auch noch sagen, was sie sich mit ihrer Veröffentlichung gedacht haben, oder ob sie sich lieber auf die Publikation von Amis in Deutschland spezialisieren sollten. Das gibt es nämlich sonst kaum, und zum Beispiel mit „House of Java“ von Mark Murphy scheinen sie einen echten Geheimtip aufgetan zu haben. -aa
 
Gunnar Saeckler: Das Bilderbuch der traurigen Lieder. 28 Seiten, s/w, DIN A 5, 1,50 Euro. Edition Décapsuleur Dauphin, Gunnar Saeckler, Wolfshagen 5, 20535 Hamburg
 
Schon mit seinem Fanzine „Das Ende der Unschuld“ (siehe PLOP # 66) hat Gunnar Saeckler stark auf poetische Wirkung abgezielt. Jetzt geht er einen Schritt weiter und illustriert Gedichte – aber nicht irgendwelche. Vor Namen wie William Blake, Friedrich Nietzsche, Theodor Storm oder August von Platen hat er keine Berührungsängste. Die meisten der ausgewählten Werke zeichnet eine düstere Romantik aus. Leider tut Gunnar häufig nicht mehr, als die von den Dichtern gewählten Bilder eins zu eins in Illustrationen umzusetzen, oder er verbildlicht einen inneren Monolog durch Gesichter mit schreckgeweiteten Augen oder gramzerfurchten Stirnen. Er fügt den Gedichten meist nichts wesentliches mehr hinzu. Man kann dem Heft also bestenfalls entnehmen, wie sich der Autor durch Lyrik ansprechen läßt. Die Lesefreude wird zudem durch das nicht sehr professionelle Lettering gemindert. Da wünscht man sich, das eine oder andere Gedicht in schöner Schrift auf einer Buchseite mit viel weißem Raum drumherum lesen zu können, wie das ja ursprünglich gedacht war. -aa
 
(Diese drei Fanzines wurden mir von Gerd Bonau zur Verfügung gestellt – vielen Dank.)
 
Stephan Hagenow: Rattenmeute. 108 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 5-Albumm, Gringo
 
Wow, schon vorbei, fragt man sich, wenn man die knapp 100 Comicseiten gelesen hat. Die rasante Actiongeschichte schnurrt bei der Lektüre nur so vorüber. Allerdings fragt man sich hinterher auch: Worum ging’s jetzt eigentlich noch mal? Irgendwie um eine Alptraumwelt, in der sich ein paar aufrechte Kämpfer gegen mutierte Riesenratten und einen ständig Predigtsprüche absondernden Irren namens „Erleuchter“ zur Wehr setzen müssen. Mittendrin erfährt man mal, dass Hauptheld Mac Trap, ein harter Typ mit weichem Kern, der Alpha-Ratte schon mal bei einem bizarren Gladiatorenkampf begegnet ist. Ansonsten kommt man sich aber so vor, als sei man sehr spät in eine Fortsetzungsgeschichte eingestiegen, in der man viele Zusammenhänge einfach nicht mehr mitbekommt. Auch am Ende, nachdem wahre Rattenlegionen abgemetzelt oder in die Luft gejagt worden sind, könnte man sich gut den Hinweis „Fortsetzung folgt“ vorstellen, denn da bleibt vieles offen. Wer allerdings in Stephan Ha-genows postapokalyptischer Welt nach einem Sinn sucht, ist ohnehin fehl am Platz. Hagenow zeichnet in einem ziemlich ökonomischen Stil mit kantigen Körpern und stilisierten Faltenwürfen und Schatten, aber durchaus bildmächtig und packend. Wer den puren Actionstoff ohne störendes Drumherum schätzt, ist mit „Rattenmeute“ auf jeden Fall gut bedient. -aa
 
Stephan Lomp: Terrorjesus # 1, 28 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5. Stephan Lomp, Pionierstraße 15, 40215 Düsseldorf, lomp@lomp.de)
 
Stephan Lomp ist Mitglied der Gruppe Herrensahne, einer rührigen Zeichnergemeinschaft aus Nordrhein-Westfalen, zu der etwa zehn Comiczeichner gehören. Eine interaktive Version des Comics entstand für das amerikanische Online-Literatur-magazin "bornmagazine.org", die auch auf www.terrorjesus.de zu bewundern ist. Die gedruckte Version des Debütheftes der geplanten Reihe um den ganz normalen Teenager Terrorjesus wurde dann auch auf der Independentveranstaltung „Heftich 5“ gleich zum besten Heft des Festivals gekürt. Ich muß zugeben, daß das Heft einen guten Eindruck macht. Wahrscheinlich ist es normal gezeichnet und dann am Computer mit vielen Rasterfolien versehen worden, was nicht schlecht aussieht. Warum die Hauptperson Terrorjesus genannt wird, weiß wohl nur der Herausgeber selbst, möglicherweise wegen seiner Frisur. Fakt ist, daß er sich anders fühlt, als der Rest der Teens und Twens seiner Umgebung und keinen Anschluß findet, vor allem nicht an Frauen. Daß seine Herzdame eine gute Freundin von ihm, zu einer Beziehung jedoch nicht bereit ist, macht für ihn alles nur noch schlimmer. So suhlt er sich im Haß und Selbstmitleid und philosophiert über das Leben, nicht ganz ohne Selbstironie oder Humor. Sicherlich trägt Terrorjesus autobiografische Züge von Stephan oder einem seiner Bekannten, denn der Text kommt aus der Tiefe eines enttäuschten Herzens und ist wohl schwerlich nur einfach ausgedacht. Das Heft bietet eigentlich eine einzige Story, die jedoch in mehreren verschiedenen Zeichenstilen gehalten und von den Darstellungen bestimmter Stimmungen unterbrochen ist. Insgesamt finde ich das Heft ebenfalls sehr gelungen. Mehr Infos unter www.lomp.de und www.herrensahne.de. Jo84
 
Andreas Eikenroth: Soviel „Warum“. 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5, 3 Euro. Andreas Eikenroth, Am Eichelbaum 39, 35396 Gießen, www.parole-ae.de
 
Nach „Chez Kiosk“ bringt Andreas Eikenroth, ehemals Mitarbeiter des nicht mehr existierenden Giessener Kostenlos-Magazins „Kainsmal“, sein zweites, ausschließlich von ihm selbst gestaltetes Comicmagazin heraus. Komik ist hier nicht mehr intellektuell-künstlerisch verbrämt, sondern an Phil-artigem, leicht zynischem Nonsense orientiert. Wenn auch Phil natürlich kaum zu übertreffen ist, zünden die Gags von Andreas durchaus. Das Heft ist sorgfältig und auf gutem Papier gedruckt, was zu dem gewollt billigen Witz, der hier gepflegt wird, nicht so recht passt. Aber alles in allem würde ich davon gern mehr sehen. -aa
 
Léger Légende: Frauen & Frösche. 24 Seiten, s/w, DIN A 5, 1 Euro. Léger Légende, Falkenweg 4, 61184 Karben
 
Der Künstler, der nur noch unter seinem Pseudonym genannt werden möchte, hat einen sehr zarten und fließenden Strich, der seinen Cartoons – richtige Comics sind es meistens nicht – eine schöne Leichtigkeit verleiht, die dann auch ins Inhaltliche übergeht. Der Gag mit dem neugierigen Jungen zum Beispiel, der einem Mädchen in den Ausschnitt spähen will, stürzt und mit seiner Nase ihr Bustier herunterreißt, würde in einem anderen Zeichenstil vermutlich zotig oder läppisch wirken. Hier hat er eine gewisse Grazie und Poesie. -aa
 
Armin Parr: Das gehört so. 12 Seiten, s/w, DIN A 5. Armin Parr, Sternbergstraße 56, 72116 Mössingen, arminparr@web.de
 
Nun macht also auch Armin Parr Comics ohne Worte – der große Trend der letzten Zeit. Meistens geht es bei ihm hier um Körperteile, die verschwinden oder sich verselbständigen. Das ist am Anfang ziemlich lustig, zum Ende des Hefts hin wird es experimenteller. Auf der letzten Innenseite hat er dann in die Panels Kurzrezensionen diverser Fanzines hineingeschrieben. In einem kleinen Nachwort schreibt er, das kleine Heft sei ein Ersatz für ein reguläres „Ups“-Heft, das Fanzine, das er sonst herausbringt. Er nennt es „auf den letzten Drücker zusammengekritzelt“, so als sei er gezwungen gewesen, etwas Neues zu veröffentlichen. Auf jeden Fall hat „Das gehört so“ den Charme des Improvisierten. -aa
 
cOMIc # 52 und 53. Je 28 Seiten, s/w, DIN A 5, im Tausch gegen Beiträge oder andere Fanzines. Gerd Bonau, Gabelsberger Straße 14, 24148 Kiel
 
Bei diesen beiden Ausgaben hatte ich das unbestimmte Gefühl, daß sie deutlich bessere Comics bieten als früher. Auffällig geändert hat sich eigentlich nichts. Bernd Teuber ist nach wie vor der Einzige, der mit mehrseitigen Comics vertreten ist. Die Onepager, Cartoons und Illustrationen stammen überwiegend von alten Bekannten wie Anja & Joy, Ulrich Magin, Wittek oder Oliver Gfeller. Die meisten Arbeiten haben mir sehr gut gefallen. Entweder strengen sich also die Mitwirkenden mehr an, weil sie sich sagen: Man muß ja froh sein, daß es cOMIc überhaupt wieder gibt, oder mir kommt es subjektiv so vor – aus demselben Grund. Einer, der sich nachweislich mehr anstrengt, ist Herausgeber Gerd Bonau selbst. In der # 52 bringt er neben den obligatorischen Rezensionen und dem üblichen superkurzen Artikel über irgendwelche Marvel-Ausgaben in Italien einen relativ ausführlichen Bericht über ein Comicfestival in Andenne/Belgien. In der # 53 ufern dann die Rezensionen auf nicht weniger als vier Seiten aus. -aa
 
Jähling: Reception Man. Rückkehr des schlaf-losen Retters. 40 Seiten, s/w mit Farbumschlag, 19,8 mal 28 Zentimeter, 4,20 Euro. Dreadful Gate Productions, www.dreadful-gate.de
 
Held dieser Geschichten ist Broder Bartz. In seiner geheimen Identität kann er körperlich Radiowellen empfangen, wodurch er schneller als jeder andere von Verbrechen erfährt (aber auch – siehe Titel – öfters Einschlafschwierigkeiten hat). Er ist im übrigen mehr von Zweifeln an seinem Heldenstatus angefressen als jeder Marvel-Superheld. Der Autor hat zudem ein Talent, Nebensächlichkeiten so geschickt in die Handlung einzuflechten, dass man die Taten dieses Schreckens der Unterwelt beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen kann. Dafür, daßJähling so bewußt ironische Distanz zu all dem Superhelden-Kram hält, beschäftigt er sich allerdings doch sehr intensiv mit seinem Reception Man. Dies ist zwar das erste eigene Heft, aber in anderen Fanzines sind schon etliche seiner Abenteuer erschienen. Irgend-was hat der Reception Man, sonst hätte sich Jähling längst von ihm abgewandt. Nein, im Gegenteil: In der Episode „Die Fanatischen Vier“ wird sogar ein neues Superheldenquartett eingeführt – mit heftigen Beziehungsproblemen selbstverständlich. Jähling möchte sich zwar auf keinen Zeitplan einlassen, aber es sollen durchaus noch mehr Reception-Man-Bände erscheinen, und auf die kann man sich durchaus freuen. -aa
terrain vague. Lolli rennt. 20 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Piccoloformat. Dreadful Gate Productions, www.vague.dreadful-gate.de
 
“Terrain vague” ist ein Serienkonzept, das auf den Gedanken aufbaut, daß in einer Stadt dort, wo keine Überwachungskamera hinsieht, Monster und Freaks hausen. In den Geschichten kommen dann jeweils Menschen, die verloren gehen oder auf sonstige Weise versehentlich dorthin gelangen, mit diesem Dunkelfeld in Berührung. Im vorliegenden Band ist es ein kleines Mädchen, dem ein vorwitziger Kobold seinen Lutscher stibitzt hat. Die kleine Geschichte ist recht reizvoll und von Jähling atmosphärisch dicht gezeichnet. In weiteren Folgen müsste er aber wohl diese unerkannten Monsterwinkel etwas stärker ausleuchten, statt ihre Existenz nur mal aufblitzen zu lassen. -aa
 
Geschrammel. Rock’n Comix # 2. 24 Seiten, s/w mit Farbcover, 2 Euro. Jens Natter, 5 Rue General de Gaulle, 68300 Saint-Louis, France, jensnatter@gmx.de
 
Der Aufruf zur Mitarbeit hatte Erfolg: Vier Zeichner haben Jens Natter Material für seine zweite Ausgabe geschickt. Moritz Stetter nimmt den Anspruch, Comics über Rockmusik und Jugendkultur zu machen, als einziger ziemlich ernst. Oliver Gfeller begnügt sich dagegen wie auch der Herausgeber selbst mit Kalauern à la Marilyn Manson sitzt vor Angst bibbernd im Zahnarztstuhl. Marco Lensch schildert das Verletzungsrisiko beim Stagediving. Die beiden Beiträge von Aaron Jordan scheinen dagegen mit dem Thema Rockmusik gar nichts zu tun zu haben. Naja, „Geschrammel“ muß sich noch entwickeln. Aber auch als Magazin, das sich bloß über die Rockkultur lustig macht, könnte es einen interessanten Gegenpol zu den Publikationen von Tauber/Dietz/Kawczynski (siehe weiter unten) bilden. -aa
 
Chnusper Comics # 7. 32 Seiten, s/w, DIN A 5. Oliver Gfeller, Bohrerhofstraße 10, 4123 Allschwil, Schweiz
 
Nach der vorigen Ausgabe mit Comics ohne Worte hat Oliver Gfeller sein Fanzine nun ganz auf Comics zugeschnitten und Musik-beiträge rausgeworfen. Vermutlich steht ihm nun einfach genug Comic-material zur Verfügung. Teresa Camara Pestana, Matjaz Bertoncelj (aus Slowenien) und Moritz Stetter haben jeweils mehrseitigeBeiträge beigesteuert – der von Moritz war allerdings in seiner eigenen „Genialen Welt“ schon zu bewundern. Der Rest stammt von Aaron Jordan, Jens Natter, Jan Prose, Claudio Parentela, Jesse Breytenbach, Herrn Suppe und dem Herausgeber selbst. Am witzigsten fand ich Olivers Rezensionshilfe. Man kann seine Zeichnungen damit nach Wahl als „Melange aus Jack Kirby, Thomas Ott und Moebius“ loben oder das Heft auch mit den Worten: „Wieso meint jeder dahergelaufene Depp, er könne Fanzines herausgeben oder gar Comics zeichnen“ in die Tonne treten. Meine Besprechung habe ich allerdings doch lieber selbst formuliert. -aa
 
Mischer # 2. Ca. 50 Seiten, farbig, 14 mal 5 Zentimeter Piccoloformat. www.cdot.de/mischer
 
Piccoloseiten, von einem Metallring zusammengehalten. 23 Leute haben an dieser Ausgabe mitgewirkt und jeweils einen Beitrag zum Thema „zwei“ beigesteuert: comicartige Bildfolgen, Illustrationen, Fotos, Collagen. Der Mischer steht für ein offenes Konzept. Trotz des vorgegebenen Themas und Formats ist hier Raum für viele verschiedene Ausdrucksweisen. Herausgeberin Claudia Bernhardt schreibt zur Erläuterung: Der Mischer „ist unabhängig, trägt sich selbst, ist digital gedruckt, die Erstauflage beträgt 40 Stück. Der Mischer dient als Forum, um sich einem Thema aus neuen/alten Perspektiven mithilfe von gewohnten/ungewohnten Mitteln zu nähern. Es findet keine Auswahl statt. Die Rechte bleiben bei den 22 + 1 Mitgemischten.“ -aa
 
Die Abferkelbucht, Ausgabe Rot (Januar 2003). 68 Seiten, s/w mit rotem Umschlag, DIIN A 5, 1,50 Euro. Ein Pro-jekt von Studenten der Bauhaus Universität Weimar. www.abferkelbucht.de.vu
 
Ein Fall für den Tierschutzbund? In diesem Heft werden auffällig viele Schweine, aber auch Igel und Fliegen und sogar der Weihnachtsmann getötet. Aber wahrscheinlich kriegt das wieder mal kein Schwein mit. Die „Abferkelbucht“ ist schließlich ein reines studentisches Kunstprojekt. Beteiligt ist unter anderem Claudia Bernhardt (siehe auch „Mischer“). Den meisten der Mitwirkenden ist das Medium Comic nicht unbekannt. -aa
 
Enpunkt # 40. 52 Seiten, s/w, DIN A 5, 1 Euro plus Porto. Klaus N. Frick, Postfach 24 68, 76012 Karlsruhe
 
Während Klaus sein Science-Fiction-Fanzine „Sagittarius“ aus Zeitgründen eingestellt hat, will er sein Egozine „Enpunkt“ wohl noch eine Weile herausgeben. Wie immer bietet es Konzert- und Plattenkritiken, Reiseberichte und sonstige Betrachtungen - alles ausschließlich aus der Perspektive des alleinigen Autors. Nur das Cover hat er sich von Frans Stummer malen lassen. Ich bin nicht sicher, ob Klaus sein Fanzine auch schon früher so oft als „Schmierheft“ bezeichnet hat, aber mir fiel das auf, weil mir diesmal eine ganze Reihe seiner Texte tatsächlich ziemlich belanglos erscheinen. So verdächtigt er einen Mann, den er im Supermarkt beobachtet, seine asiatische Frau „gekauft“ zu haben, berichtet, wie er in einer hessischen Kneipe nicht gegrüßt wurde oder wie ein Mann in einerGasthaustoilette nicht mehr pinkeln konnte, als er neben ihm auftauchte, und beschreibt eine ältere Frau, die ein „Punk“-T-Shirt trug. Alles Ereignisse, die Klaus etliche Zeilen wert sind, für mich aber eher in die Rubrik „So what“ gehören. Natürlich gibt es auch etliche Artikel, die das Lesen lohnen, aber der Anteil des Unerheblichen sollte möglichst nicht mehr steigen. -aa
 
Sol # 32. 68 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4. Perry-Rhodan-Fanzentrale, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Phantastisch! # 11. 68 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4, 4,90 Euro. Verlag Achim Havemann, Harlingen 119, 29456 Hitzacker
 
Zwei ähnliche Magazine mit identischem Chefredakteur (Klaus Bollhöfener), wenn auch „Sol“ eigentlich nur für Mitglieder der offiziellen Perry-Rhodan-Fanclubs erhältlich ist und „Phantastisch!“ im Gegensatz dazu über Perry Rhodan kein Wort verliert. Daß es für die nach mehr als 40 Jahren immer noch zahlreichen Perry-Rhodan-Fans ein Sekundärblatt gibt, das auf Hochglanzpapier über Autoren, Themen und die Fans und ihre Aktivitäten selbst berichtet, leuchtet unmittelbar ein. In der vorliegenden Ausgabe geht es etwa um den früh gestorbenen Peter Terrid, um eine interdisziplinäre wissenschaftliche Tagung über die Endlos-Serie oder die Arbeit der Exposé-Redaktion. Zudem ist immer Moewig-Lektor Ulrich magin mit einem Comic vertreten. Interessanter und verdienstvoller erscheint es mir jedoch, daß Leute aus dem Perry-Rhodan-Umfeld auch über den Tellerrand hinausblicken und in gleicher Aufmachung wie bei „Sol“ über die internationale SF-Szene berichten. Da finden sich in der aktuellen Ausgabe zum Beispiel Interviews mit Alan Dean Foster und Tad Williams, ein Bericht über die deutsche SF-TV-Serie „Post Impact“ (RTL) und ein Essay über die erfundene Religion in Robert A. Heinleins Roman „Stranger in a strange land“. Am Rande werden auch SF-Comics wahrgenommen, hier geht es um Alexandro Jodorowskis Zyklus „Die Techno-Väter“. Daß das alles sehr fundiert und lesenswert ist, versteht sich von selbst. -aa
 
QI # 63 und 64. 20, bzw. 24 Seiten, s/w, DIN A 5. Edgard Guimaraes, Rua Capitao Gomes 168, Brasopolis MG 37530-000, Brasilien
 
Von diesem Fanzine habe ich nun schon etliche Ausgaben gesehen. Der Aufbau schien im wesentlichen immer gleich zu sein. Bei Ausgabe # 63 ist es etwas anders. Neben der neuesten Folge von Edgards Comic „“Mundo Feliz“ gibt es statt der üblichen ausführlichen Fanzinelisten andere redaktionelle Beiträge – Leserbriefe, Berichte über ein Festival oder eine Preisverleihung und anderes (wegen meinen fehlenden Portugiesisch-Kenntnissen leider nicht alles zweifelsfrei identifizierbar). Die Ausgabe # 64, die ich kurz vor Redaktionsschluß noch erhielt, hat wieder die gewohnte internationale Fanzineübersicht, darunter auch ein Hinweis auf PLOP. –aa
 
Neuere Kostenlos-Magazine:
 
Wieselflink # 2/2003. 32 Seiten, farbig, DIN A 5. Wieselflink, Brokhauser Weg 32 c, 26160 Bad Zwischenahn. www.wieselflink.de
 
Comicaze # 15 (Weihnachten 2003). 20 Seiten, teilweise farbig, DIN A 4. Rainer Schneider, Volkartstraße 4 a, 80634 München
 
Jason Lutes: Berlin Steinerne Stadt. 220 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 5-Paperback, 14 Euro. Carlsen
 
Diesen Comicroman habe ich während einer Bahnfahrt von Berlin nach Fulda gelesen. Die Zeit reichte gerade, um den Schmöker zu bewältigen. Der Eindruck, den er hinterläßt, ist zwiespältig. Ein großes Panorama der Stadt Berlin breitet sich hier aus, und zwar in den Jahren ab 1928, die dem Nationalsozialismus unmittelbar vorausgehen. Man sieht, offenbar ziemlich dokumentarisch, Straßen und Häuser der Stadt, von denen viele später im Zweiten Weltkrieg untergegangen sein dürften. Man begegnet Menschen, Gezeichneten vom Weltkrieg 1914 – 1918, Künstlern der wilden Zwanziger, politisch Aktiven des linken und des rechten Spektrums, mitunter auch bekannten Persönlichkeiten wie dem Publizisten Carl von Ossietzky („Weltbühne“) oder dem Dichter Joachim Ringelnatz. Ich bin sofort bereit zu glauben, dass Jason Lutes für dieses Werk, von dem wir mit dem Band erst ein Drittel vor uns haben, ungeheure Recherchen betrieben haben muß. Die Lektüre war aber insgesamt kein Zuckerschlek-ken, weil der Autor auf eine richtige Handlung verzichtet. Sicher, wir begegnen Menschen immer wieder, insbesondere dem Journalisten Kurt Severing und der Kunststudentin Marthe Müller. Aber bei vielen Figuren, die in den willkürlich aufeinander folgenden Episoden auftauchen und auch wieder verschwinden, fragte ich mich: Ist die jetzt wichtig? Ist sie womöglich früher schon mal aufgetaucht? In welcher Beziehung steht die nun zu den anderen? Erschwerend kommt hinzu, dass Lutes zwar ein sehr fleißiger und detailgenauer Zeichner, aber nur ein mittelmäßiger Porträtist ist. Der 36-jährige Amerikaner, der neben Scott McCloud den Vater der Ligne Claire, Hergé, zu seinen Vorbildern zählt, macht es seinen Lesern nicht leicht. Beim zweiten Lesen kam ich mit „Berlin Steinerne Stadt“ etwas besser klar. Aber man unternimmt nun mal eine ziellose Reise durch die Stadt, schnappt überall etwas auf von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zuständen, von den Milieus und vom Lebensgefühl, sieht immer wieder mal den heraufdämmernden Nazi-Wahnsinn und muß am Ende mit den durcheinanderpurzelnden Eindrücken selbst klarkommen. Ein ungewöhnlicher Band, der jede Sammlung zieren dürfte, aber gewiß keiner von der Sorte „Lieblingscomic“.
 
Jackpot Baby! # 1/2003. 132 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 4 Euro. Jackpot Baby! Postfach 10 14 19, 04014 Leipzig, www.jackpotbaby.de
 
„Jackpot Baby!“ ist aus den Fanzines „Paranoid“ von Christopher Tauber und Steffi Dietz und „WackaWacka“ von Guido Kawczynski hervorgegangen. Durch die Fusion, an der auch der einstige „WackaWacka“-Mitarbeiter Nico Roicke beteiligt ist, hat sich das Projekt eindeutig einen Schritt weiterentwickelt. Es soll nun kein Fanzine mehr sein, sondern – ich würde es mal als Szeneprodukt bezeichnen. Der Inhalt setzt sich wie früher aus Comics, Bandinterviews, persönlichen Betrachtungen und zu einem kleinen Teil aus Rezensionen zusammen. Die Interviews, die Nico mit en Cardigans, der deutschen Band Readymade, Wir sind Helden und mit Bernd Begemann geführt hat und die den eindeutigen Schwerpunkt bilden, machen den Band für Fans alternativer Rockmusik interessant, und sie werden nicht mehr vom bescheidenen Äußeren eines Fanzines davon abgehalten zuzugreifen. „Jackpot Baby!“ ist aber kein typisches Musikmagazin. Persönliche Betrachtungen, auch wenn sie häufig lifestyle-orientiert sind, sind für Leser außerhalb des Fanzine-Universums sicher sehr gewöhnungsbedürftig. Das geht bis hin zu stilisierten Tagebuchaufzeichnungen von Christopher Tauber. Die Comics sind zwar in diesem Band ziemlich zurückgedrängt, auch wenn sich „You’re so... Mummy Honey“ von Christopher dank des großen Gesamtumfangs auf 27 Seiten ausbreiten kann, aber für manchen Leser vielleicht auch ein Störelement. Ob es für eine solche Publikation einen Markt gibt, muß sich erst noch herausstellen. Jedenfalls haben die vier Herausgeber wohl genau die Publikation gemacht, die sie machen wollten, und das mit professionellem Anspruch. Sollte „Jackpot Baby!“ nicht genug Leser finden, dann wäre das nicht so tragisch, wie wenn die Macher von vorneherein schon Kompromisse hinsichtlich des vermeintlichen Lesergeschmacks gemacht hätten. Das Magazin soll künftig zweimal jährlich erscheinen.
 
Stan Sakai: Usagi Yojimbo # 13. 106 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 12 Euro. Schwarzer Turm
 
Vielleicht kommt es nur mir so vor, aber zum Ende scheinen die Geschichten um den „Leibwächter Hase“, so die Übersetzung von „Usagi Yojimbo“, immer düsterer zu werden. Dabei sind die Protagonisten dieser Comics bei oberflächlicher Betrachtung anthropomorphe Tiere und damit Funnyfiguren. Vielleicht lag es daran, dass ich wusste, dass dies der letzte Band ist, aber ich hätte mich nicht gewundert, wenn der wackere Hase am Ende sein Leben ausgehaucht hätte. So zynisch wie Robert Crumb, der seinem „Fritz the Cat“ einen schmählichen Tod bereitete, um die verhasste Figur loszuwerden, ist Stan Sakai sicher nicht. Aber die hier versammelten vier Episoden sind so voller bitterer Rache, böser Vorzeichen und drohendem Tod, dass man davon nicht unberührt bleiben kann. Wie in den vorausgegangenen Ausgaben ist Sakai wieder ein Meister seiner Form. Seine ebenso strenge wie detailreiche Schwarz-weiß-Grafik ist makellos, und jede seiner Geschichten rundet sich perfekt in dem vorgegebenen Rahmen von 20 Seiten ohne irgendwelche Längen oder gezwungenen Raffungen. Usagi ist hier mit seinem Freund, dem mürrischen Nashorn Gen unterwegs – ein klassisches amerikanisches Buddy-Gespann. Seine Stoffe bezieht Sakai aber immer aus der japanischen Kultur. Immer sind hohe Werte im Spiel wie die Familienehre, Freundschaft und deren Verrat. Wie Sakai seine Konflikte mit leichter Hand aufbaut und stets originell auflöst, muß man gelesen haben. Schön, dass Mille Möller und Rochus Hahn vom „Schwarzen Turm“ nun die zunächst bei Carlsen erschienenen ersten Bände überarbeiten und nachdrucken wollen.
 
Panik Elektro # 1. 156 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 15 Euro. Schwarzer Turm
 
Levin Kurio hat sich mit seinem Wälzer „Schwarzweiß Comickult“ bereits Verdienste um die Veröffentlichung von Undergroundcomics in großem Stil erworben. Das Projekt wird allerdings von dem vorliegenden Band locker getoppt. Hier werden nicht nur rund 150 Seiten Comics geboten, sondern das Ganze auch noch mit einer thematischen Klammer zusammengehalten: „Autobiographischer Horror“ war das Thema, an das sich alle Mitwirkenden mehr oder weniger gehalten haben - Horror im Alltag kann ja das Spektrum von unangenehmen Körpergerüchen bis zu Massenvergewaltigungen abdecken. Zudem könnte „Autobiographischer Horror“ wohl als Motto über den meisten Comics stehen, die im Fan- und Alternativbereich veröffentlicht werden. Einen Großteil der Beiträge, die hier im Umfang von etwa drei herkömmlichen Fanzines von Herausgeber Wittek präsentiert werden, habe ich durchaus mit Gewinn gelesen. Sie stammen schwerpunktmäßig von der von Wittek so bezeichneten „Hamburg Connection“, also Calle Claus, Tom Plate, Eckart Breitschuh, Loppe, Haina Fischer, Oliver Ferreira, Till Lenecke und Rainer Baldermann. Auch Witteks Bruder Peter Wittke, den er in seinem PLOP-Jamcomic-Interview erwähnt hatte, ist auf einer Seite zu entdecken. Hinzu kommen klangvolle Namen wie Andreas Michalke, Mawil, Klaus Cornfield, Aha, Teer, Dice, Levin Kurio und Jo84 (der zudem mit seinem Fanzine „Sprühende Phantasie“ in einem informativen Artikel von Tilman Stieve vorgestellt wird). Als Alibifrau muß die rührige Teresa Camara Pestana aus Portugal herhalten. Neben ein paar mir unbekannten Leuten sind mindestens drei weitere Ausländer vertreten: Mike Diana, offenbar Amerikaner, Marcel Rujters, möglicherweise Holländer, und Chris Knox, eigentlich ein britischer Rockmusiker. Daß man dann insgesamt doch den Überblick verliert, liegt vor allem daran, daß die Mitwirkenden überhaupt nicht vorgestellt werden. Etwas irritiert auch, daß bei der Seitenzählung mittendrin einmal fünf Seiten komplett ausfallen und sechs Rezensionsseiten ziemlich willkürlich eine Buchstabennumerierung erhalten haben. Da hätte der Verlag eingreifen und ein wenig Ordnung schaffen müssen.
 
Jason: Psssst! 130 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 15 Euro. Hey, warte mal! 72 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 12 Euro. Schwarzer Turm
 
Mit Jason ist dem Schwarzen Turm, dem kleinen Verlag aus der Nähe von Fulda, eine Entdeckung
 
gelungen. Der norwegische Comickünstler rührt den Leser mit lakonischen, melancholischen Geschichten an. Lakonisch ist ebenso sein Zeichenstil wie seine Erzählweise. Jede Seite ist gleichförmig in sechs quadratische Panels eingeteilt, und darin agieren in der Regel Hunde- oder Vogelfiguren im Semifunnystil. Oft kommt Jason ohne Dialoge aus. Zuerst kam der Band „Hey, warte mal...“ heraus. Hier gelingt es ihm, die Geschichten aus der Perspektive seines Protagonisten zu erzählen, der zunächst ein Jugendlichen an der Schwelle zur Pubertät ist. „Hey, warte mal...“ – das sind die letzten Worte des Jungen, bevor sein bester Freund beim Spielen tödlich verunglückt. Das Erlebnis, seinen Freund in den Tod springen zu sehen, verändert sein Leben grundlegend. Er wird ernsthafter, er beginnt, nach dem Grund für den Verlust seines Freundes zu fragen. Er, der auch zuvor schon ein Träumer war, merkt, daß er in die oberflächliche, auf reibungsloses Funktionieren angelegte Welt der Erwachsenen nicht hineinpaßt. „Pssst“ bietet zehn Geschichten unterschiedlicher Länge, die nun konsequent auf Dialoge verzichten. Obwohl die Hauptfigur immer dieselbe ist, scheint Jason hier verschiedene Erzählweisen ausprobieren zu wollen. Die Geschichte vom verlassenen Liebhaber, der sich immer neue Varianten ausdenkt, wie er auf die Kränkung reagieren könnte, ist eher spröde. Surrealistisch dagegen ist zum Beispiel die von dem Mann, der plötzlich auf Schritt und Tritt von einem Skelett verfolgt wird. Doch wie Jason seine Comics auch anlegt, ihrem Zauber kann man sich kaum entziehen.
 
Horst # 11. 28 Seiten, farbig, Comicbookformat, 4 Euro. Schwarzer Turm
 
Die Abenteuer von Horst, dem sexwütigen Hasen, verkaufen sich beim Schwarzen Turm zwar nicht so rasant wie die richtigen Pornos, aber doch so gut, dass sie jetzt ohne Aufpreis rundum in Farbe präsentiert werden können. Ausgangspunkt waren Verhandlungen mit dem Carlsen Verlag, die Veröffentlichung zu übernehmen, die aber aus nicht näher erläuterten Gründen gescheitert sind. Wie auch immer: Die Serie hat sich offenbar eine ansehnliche Fangemeine erobert. Dabei ist sie nicht einmal richtig lustig. Das Besondere ist, dass das, was Horst bei seinen – oft vergeblichen – amourösen Beutezügen passiert, so aus dem Leben gegriffen wirkt, dass sich die Leser mit ihm identifizieren können. Das wird auch auf der Leserbriefseite explizit diskutiert: Horsts Erlebnisse bei der indischen Bhagwan-Sekte im vergangenen Heft könne man sich wohl schlecht aus den Fingern gesaugt haben, heißt es da. Wobei sich seine Erfahrungen meist auf alltäglichere Dinge wie Kreditkarten, Autos, Fitnessclubs und Bordelle beziehen. Und wenn Horst mal wieder zu spät merkt, dass er nicht genug Geld für eine Nutte hat, lacht man doch, weil es einem selbst passiert sein könnte. Autor Robi gehen die Ideen noch lange nicht aus, und Zeichner Jürgen „Geier“ Speh setzt sie in seinem soliden Semifunny-Stil recht ansehnlich um. Gute Voraussetzungen dafür, dass sich ein Comicheft auch abseits von Mainstream-Stoffen und Kiosktauglichkeit behaupten könnte.
 
Comixene # 66 bis 68/69 (Oktober 2003 bis Dezember/Januar 2004). 64 bzw. 96 Seiten, teilweise farbig, DIN A 4, 5 bzw. 8 euro. Verlag Jurgeit, Krismann & Nobst
Xoomic # 8 (Dezember 2003). 60 Seiten, teilweise farbig, 20 mal 27 Zentimeter, 5 Euro. Frank-Kemter-Verlag, Nürnberger Straße 111 A, 90762 Fürth, www.xoomic.de
 
Die Comixene hält ihre Erscheinungsweise weiter stbil und erfreut fast jeden Monat mit einem neuen bunten Heft. Nun will die Redaktion sogar das 30jährige Bestehen des Magazins feiern und sieht über die Tatsache, dass es zwischendurch von 1981 bis 1994 mal kurz nicht erschienen ist, großzügig hinweg. Aber natürlich ist „Comixene“ in der Comicszene ein wertvoller Markenname, der entsprechend gepflegt gehört. In den vorliegenden Ausgaben geht es unter anderem um Art Spiegelman, den neuen „Lucky Luke“-Zeichner Achdé, den Norweger Jason (siehe oben) und die Faszination von Hansrudi Wäscher. „Xoomic“ widmet sich in der neuen Ausgabe stark deutschen Zeichnern, nämlich Uli Oesterle, Willi Blöß und Kim Schmidt, vergleicht zudem die historischen Comics „Berlin Steinerne Stadt“von Lutes und „1928“ von Mainka, interviewt aber auch einen der derzeit populärsten französischen Zeichner, Zep („Titeuf“). Herausgeber Frank Kemter will nun bis Mai eine Kunstpause einlegen, um sein Magazin gründlich zu überarbeiten. Es ist von mehr Farbseiten und Comics die Rede.
 
Comic! Jahrbuch 2004. 260 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4-Album, 15,25 Euro. Interessenverband Comic e.V. ICOM, Danneckerstraße 12, 70182 Stuttgart, www.comic-i.com
 
Das Problem, daß das Jahrbuch der Zeit hinterherhinkte, ist ja nun seit der vergangenen Ausgabe beseitigt. Die neue Ausgabe war sogar pünktlich zur Frankfurter Buchmesse im Oktober fertig - was für Herausgeber Burkhard Ihme angesichts des beachtlichen Umfang des Werks ein Kraftakt gewesen sein dürfte. Er bedient sich zwar wieder geschickt des im ICOM vertretenen geballten Sachverstands, aber die Fäden liefen allein bei ihm zusammen. Die große Stärke des Bandes ist erneut die Vorstellung sehr unterschiedlicher Comicschaffender, meist im Interview. Das sind die ehemaligen Underground-Zeichner Mali Beinhorn und Werner Büsch, die seit inzwischen 25 Jahren ein Comicheft für die Genossenschaftsbanken produzieren, der Werbecomic-Profi Frank Ihler, der noch immer zu wenig bekannte Kim Schmidt und Nachwuchs-Star Sascha Thau. Unverdrossen werden auch wieder sämtliche Gewinner des ICOM-Independent-Comic-Preises interviewt. Schließlich wird auch der deutsche Comicmarkt vor allem in Form von Interviews untersucht. Hier kommen Georg F. W. Tempel und Kai-Steffen Schwarz von den Marktführeren Ehapa und Carlsen, die neuen Magazin-Herausgeber Martin Jurgeit und Frank Kemper und der Comicagent Hartmut Becker zu Wort. Interviews ersparen die Mühe, selbst einen einordnenden Artikel schreiben zu müssen. Mit diesem Schwerpunkt wird das Jahrbuch aber andererseits zu einem Forum, auf dem die unterschiedlichsten Akteuere der Comicszene zu Wort kommen. Das hat unbestreitber Charme. Wenn ein Interview nicht ausreicht, dann bemüßigt sich Burkhard einer Umfrage. Das hat diesmal, beim Thema Lettering, eindeutig besser funktioniert als beim vorangegangenen Jahrbuch mit den Zeichnerinnen. Und sonst: Neben den vielen Wortmeldungen blieb immer noch Platz für Marktberichte aus USA, Dänemark und den Niederlanden (da fehlen wieder wichtige Märkte), eine Betrachtung zu 50 Jahren „jugendgefährdende Schriften“, zur Zukunft des Comic Salons Erlangen und seiner möglichen Konkurrenzveranstaltung in Hildesheim und für zwei Artikel von Fachjournalist Martin Frenzel zu Faschismus in Comics (die wären wohl früher unter der Rubrik „Dossier“ gelaufen). Schließlich wird auch noch ein Seitenblick auf den Bereich Trickfilm geworfen, für den der ICOM ja auch zuständig ist. Die lange Aufzählung zeigt: Ohne das Jahrbuch würde in der Comicpublizistik Wichtiges fehlen. Es ist zweifellos auch beim ICOM in den richtigen Händen - wobei weitere helfende Hände sicher nicht schaden würden.