(Plop Online Comics, hier klicken)  
Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 51
Besprechungen



Graphic Reviews # 1. 32 Seiten, s/w, DIN A4, 1,75 Pfund. Andy Konky Kru, PO Box 8892, London SW 15, Great Britain.
 
Da sitzt einer in London, denkt über das Medium Comic nach und nimmt es wirklich ernst. Während unsereins freudig erregt zur Schere greift, wenn Dr. Fritz Göttler im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung wieder mal ein Comicalbum bespricht und damit demonstriert, daß er offenbar nicht alle Comics von vorneherein für Schund hält, sagt sich Andy Konky Kru: Warum sollte das Medium Comic selbst nicht dazu taugen, Comics zu rezensieren? Die neunte Kunst müßte sich damit erstmals nicht ihre Legitimation von der großen Schwester Literatur (hier: Literaturkritik) erbetteln, sondern würde sie sich selbst verschaffen - aus sich heraus. Wenn man Comics tatsächlich für ein brauchbares Ausdrucksmedium hält, sollte man ihnen das schon zutrauen. Eigentlich ist es ja nichts Besonderes oder gar Neues, daß Comicfiguren auftreten, um uns mittels Worten und Bildern einen Essay zu vermitteln oder sich auf sonstige Weise selbstreflexiv zu äußern. Sehr gekonnt hat uns kürzlich Scott McCloud auf diese Weise ein neues Verständnis der Comics gelehrt. Und daß sich Comiczeichner auch mal selbst inszenieren, ist nun wirklich ein alter Hut. Kürzlich sah ich ein Lustiges Taschenbuch, in dem ein Reporter Carl Barks in Entenhausen besucht und interviewt. Daß Andy da nur einen kleinen Schritt weitergeht, ist das Verblüffende. So legt er einen Band mit 30 Comicbeispielen und 30 Stellungnahmen von 16 britischen Comiczeichnern einschließlich ihm selbst vor. Links ist stets eine Seite aus dem besprochenen Werk abgebildet, rechts daneben steht die Comic-Rezension. Die rezensierten Werke reichen vom alten und konventionellen „Blake & Mortimer“ über die kultigen Jim Woodring, Peter Bagge oder Charles Burns bis hin zu britischen Lokalmatadoren wie Chris Webster und mir unbekannten Künstlern wie Fougasse. James Kochalka und Lee Kennedy sind als Rezensent wie auch als Autor rezensierter Werke vertreten. Manche halten einen kleinen Vortrag (konventionelle Rezension), andere versuchen, jene Stimmung zu erzeugen, die sie an dem gewählten Comic fasziniert, oder den Moment nachzuvollziehen, als sie ihn zum ersten Mal lasen, und was da mit ihnen vorging. Andy Brewer versucht, einem japanischen Comic über Insekten gerecht zu werden, indem er ihn eine Gottesanbeterin rezensieren läßt. Bei Clive Scruton tritt, passend zur Vorlage, ein kleines Gespenst auf. Ein höchst interessantes, völlig geglücktes Experiment, das sich zur Dauereinrichtung ausbauen ließe. aa
 
Wittek, 3 Rooosen, Loppe: Heutelein. 24 Seiten, s/w, DIN A5, 6 Mark. Verlag Rooosinelda, c/o Thomas Wittke, Schulweg 29, 20259 Hamburg.
 
Nach „Das 50jährige Heimkind“ und „Die Eier sind fertig!“ gierten die Zeichner Loppe, Wittek und 3 Rooosen nach neuen Strichertaten. Im Rahmen der Inc.-Ausstellung „Die 4. Dimension“ (Zeit & Raum) auf dem Hamburger Spielbudenplatz produzierten sie kurzfristig dieses Heft, das auf der Ausstellung verkauft wurde. Diese ist nun vorbei, und ob noch Exemplare der Erstauflage von 60 Stück zu bekommen sind, weiß ich nicht. Ein mehr als merkwürdiges Heftchen ist es geworden, das für den hohen Preis leider recht schnell durchgelesen ist. Eine durchgängige Geschichte gibt’s nicht, eher grafische Spielereien und seltsam abgedrehte Texte. Mehr kann ich auch kaum darüber sagen, als daß ich eigentlich nix verstehe. Vielleicht mag es „Unangenehm“-Starzeichner Wittek irgendwann mal erklären. Mit dem wird es in „Sprühende Phantasie“ # 17 (erscheint im Januar ‘98) ein prima Interview geben. Jo84
 
Die Hirse
# 18. 44 Seiten, s/w, DIN A5-Taschenbuch. Michael Laabs, Pantaleonsmühlengasse 6, 50676 Köln.
 
Über die Hirse habe ich schon das eine oder andere Mal berichtet. Da es mein persönliches Sprungbrett in die Fanszene war, liegt es mir natürlich besonders am Herzen. Die Hirse ist untrennbar mit dem Herausgeber Michael Laabs verbunden, da er meistens den größten Teil des Hefts selbst bestreitet. So ist es auch diesmal wieder: Kim Schmidt steuert vier Cartoons bei, der Rest ist Laabs-Eigenproduktion. Neu ist das Format, und daß Laabs-Kowalski sein schriftstellerisches Talent entdeckt hat. So ist Hirse # 18 eine erquickende Mischung aus Comics, lustigen Kurzgeschichten und abstruser Lyrik. Alles auf der Humorschiene, wobei auch schon mal einzelne Beiträge in den Schwachsinn abgleiten. Stellvertretend für den Humor sei die erste Kurzgeschichte genannt, betitelt mit „Das Leben ist eben kein Tapeziertisch, auf dem man sich sauber alles zurechtschneiden kann“. Laabs ist ein spritzig schreibendes Talent, dem hoffentlich irgendwann mal größeres Talent beschieden ist (?, der Setzer). Jo84
 
Epidermophytie # 3. 32 Seiten, s/w, DIN A4, 3 Mark. Contra Medienwerkstatt, Hufelandstraße 19, 10407 Berlin.
 
Der dritte Streich der Berliner gilt ein paar Lokalgrößen aus Entenhausen. Die Disney-Welt läßt sich verhältnismäßig leicht persiflieren, indem man ihr einfach die Niedlichkeit austreibt ( „From Duck till Dawn“, „Night of the Living Ducks“). Oder man arbeitet die reaktionäre Ideologie heraus, die in den lustigen Enten-und-Mäuse-Geschichten steckt. Das geschieht nicht zum ersten Mal, aber die Fußpilz-Freunde leisten sich immerhin keinen Durchhänger. Auch nicht in grafischer Hinsicht. aa
 
Skitzen. 100 Seiten, s/w, DIN A5. Till Lenecke, Gähler Straße 15, 22767 Hamburg.
 
„Skitzen“ heißt die Megaschwarte, die Till Lenecke aus seinen Skizzenbüchern zusammengebastelt hat und die in sehr gutem Kopierdruck Scribbles und Textpassagen (manchmal etwas unleserlich) der besseren Sorte beinhaltet. Ein Buch, das auch die leeren Seiten oder durchgedrückte Rückseiten präsentiert. Ambitioniert und skurril. Jo84
Tumor # 7, 52 Seiten, s/w, DIN A4, 5 Mark. Heiko Henning, Sandweg 38, 20257 Hamburg.
 
Tumor ist ein Magazin, das sich mit allen Medien beschäftigt, und richtet sich inhaltlich am ehesten in eine als „düster“ zu bezeichnende Ecke. Dazu gehören Berichte und Besprechungen zu Filmen wie „Return of the Living Dead III“, „Requiem der Teufel“ oder „Virus - Die Hölle der lebenden Toten“, Buchbesprechungen usw. ähnlicher Themen. Allerdings ist Tumor auch für Inhalte völlig anderer Art offen. So gibt es zum Beispiel einen Bericht über Georges Méliès (1861 - 1938), der Zauberer, Regisseur, Theaterdirektor, Erfinder, Schauspieler und Besitzer des ersten Filmstudios überhaupt war. Der Artikel mit nachfolgender Filmographie kann als Höhepunkt der Ausgabe gewertet werden. Neben zahlreichen Rezensionen, einer Kurzgeschichte und etlichen Illustrationen von Diana R. Sasse (die hier ziemlich schaurige Motive abliefert, wirklich gelungen, vor allem das Cover) gibt es noch ein Interview mit Jo84, das auch für Insider noch viel Neues beinhaltet. Die hervorragende Ausgabe wird durch viele Briefabdrucke abgerundet, die eine starke Leserbindung beweisen dürften. Jo84
 
Der Herold # 26. 24 Seiten, s/w, DIN A5, 2,50 Mark. Crago-Verlag, Postfach 32, 97991 Creglingen.
 
„Als Michael Schneider am 10. Januar 1983 zum ersten Mal sein Egozine „Shnortys Herold“ veröffentlichte, ahnte er noch nicht, daß dieses Magazin so lange Bestand haben würde. Genausowenig wie ich, als ich am 1. November 1986 meinen Einstand beim Herold # 11 gab. Zuerst war es zumindest für mich nur eine Spielerei, ein Hobby eben. Doch im Laufe der Zeit wurde der Herold für uns immer wichtiger. Wir hatten die Hoffnung, daß er eine richtig professionelle Zeitschrift würde. Da-für haben wir gearbeitet und gekämpft. Auch später, als jeder von uns einen Job in der echten Medienwelt hatte (Michael bei verschiedenen Radiosendern und ich bei mehreren Zeitungen), gaben wir den Herold nicht auf.“ So J. Heinrich Heikamp im Rückblick auf die Geschichte eines eher wenig beachteten Fanzines. Das Seitenprojekt Comic-Herold, das einheimischen Superheldencomics eine Plattform bieten soll, scheint den Herausgebern inzwischen wichtiger als das Mutter-Zine. Aber die vorliegende Nummer des „Kultur-Magazins“ ist mit Video-, Comic- und Buchrezensionen, einem Aufsatz des bekannten Autors Wolfgang G. Fienhold, einem Porträt des Autorenforums in Kaiserslautern, einem Förderkreis für phantastische Literatur, Nachrichten, Terminen und einem Comic von Franc randvoll mit interessanter Lektüre. aa
 
Manfred Lafrentz: Kama-Wakan. 52 Seiten, s/w mit rotem Umschlag, DIN A4-Album, 8 Mark. Honker & Faun Edition. Henning Way & Wiesenmüller, Tieckstraße 3, 30625 Hannover.
 
Über die Zeichenkunst von Manfred Lafrentz muß in PLOP nicht viel gesagt werden. An dem Kieler, der auch zum Illustratorenkreis der Reihe Heyne Science Fiction zählt, scheiden sich ja die Geister der PLOP-Leser, aber gewiß nicht wegen seiner Grafik. Außer „Coyote“ hat Manfred in letzter Zeit vor allem Comics in Omi veröffentlicht, Umsetzungen buddhistischer und indianischer Märchen, die jetzt in einem schön gedruckten Al-bum zusammengefaßt sind. Den Sanskrit-Titel könnte man frei mit „Heilige Liebe“ oder auch „Magischer Sex“ übersetzen, was das Spannungsfeld, in dem sich die Märchen bewegen, ganz gut charakterisiert. Manfred hat die Stoffe aber offenbar nicht nach Eleganz oder Originalität ausgewählt (wofür der Fundus der Legenden aller Länder ausreichend Material liefern würde), sondern will immer etwas über das Geschlechterverhältnis und insbesondere die Frauen aussagen. Mal erscheinen sie als brave Männer bedrohende Versucherinnen, mal als das heimlich dominierende unterdrückte Geschlecht, mal als das pantheistische Prinzip des Lebendigen. Den stärksten Eindruck hinterläßt die abschließende Geschichte „Vancouver“, in der Manfred die westliche Kultur und die im wesentlichen untergegangene Welt der Indianer ineinander verfließen läßt. Das ist Zivilisationskritik in selten erreichter Eindringlichkeit. aa
 
Die Schweinevogel-Show # 6. 36 Seiten, s/w mit Farbcover, US-Format, 4,95 Mark. Extrem Erfolgreich Enterprises, Schulstraße 10, 04109 Leipzig.
 
Die Nummer 6 blieb leider die bislang letzte Ausgabe. Der Zyklus, der dort ein Ende finden sollte, wird sich wohl doch noch über ein bis zwei weitere Hefte erstrecken. Bemerkenswert ist, daß der Preis für alle Ausgaben - also auch die Backlist - inzwischen auf 4,95 Mark reduziert wurde. Dafür gibt’s ab Heft 6 vier Seiten Chaos mehr. „Chaos“ dürfte das einzige Wort sein, das den Inhalt treffend beschreiben kann. Schweinevogel will Sids Tod rächen und geht, mit einem Atomhelm bewaffnet, zum Angriff über. Die dahinrasende Story ist mittlerweile schon etwas schwerer zu durchblicken, Gastauftritte von Kiss und Abrafaxe-Zeichner Ulf Graupner sind purer Kult. Das Heft ist immer noch unterstützenswert - tut es, bevor wieder ein grandioses Mag wegen Lesermangel ausblutet. Jo84
 
P. M. Hoffmann: Die Abenteuer von Kreuzfeld & Jacob # 1 (November 97). 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A5, 5,90 Mark. Ex-trem Erfolgreich En-terprises, Hamburg und Leipzig. Bezug:  Comicbuch Vertrieb, Peter Poluda, Lortzingstraße 5, 32683 Barntrup; Modern Graphics, 76437 Rastatt.
 
Nach Schwarwels „Schweinevogel-Show“ kommt jetzt im selben Verlag der Comic von Peter Marcellus Hoffmann. Man ist erstmal versucht, Vergleiche zum Schweinevogel zu ziehen; auf jeden Fall trifft Hoffmann Schwarwels Geschmack genau, wie der Meister selbst im Nachwort betont: K & J ist „kein Mainstream, kein Fanzine oder gar Albumscheiß“, sondern purer „Underground“. Ob nun besser oder anders oder vielleicht doch nicht ganz so kultig wie „Schweinevogel“, möchte ich hier nicht vertiefen. Die Zeichnungen sind viel detailreicher, die Story ist ähnlich abgedreht und läßt keinen Gag aus. Die Handlung lehnt sich locker an Tim Burtons „Mars Attacks“ an und ist um unzählige Anspielungen auf Fernsehserien, sogenannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und wohl auch etliche DDR-Insider-Witze (Sättigungsbeilage? Califucks? Brotfahrerkind?) angereichert. Kurz vor Schluß der Tour de Force begann mir vor dem zu erwartenden Hinweis „Fortsetzung folgt“ zu grauen, doch dann kriegt Hoffmann glücklich die Kurve, beendet die Episode und läßt K & J beim nächsten Mal (Februar 1998) was anderes durch den Kakao ziehen. Vorausgesetzt, ihr trefft am Kiosk die richtige Entscheidung. aa
 
Filmriß # 5. 44 Seiten, teilweise farbig, DIN A4, 8,80 Mark. Amigo Comics, Holger Bommer, Starenweg 18,73730 Esslingen.
 
Holger Bommer hat inzwischen keine Mühe, in der obersten Liga der Comicfanzines mitzuspielen. Seine Mitarbeiter sind teilweise schon atemberaubend gut - Jan Thüring, der ganz beiläufig eine alltägliche Horrorgeschichte heraufbeschwört, Mark Badger, der mit Farbe so gut wie Matthias Schultheiß umgehen kann, Aurel Voigt und Mikel Gref, die ohne weiteres in „Mad“ passen würden (ist das heute noch ein Lob?), Andreas Mergenthaler und Kim Schmidt (sind uns eh’ bekannt). Die fällige Jubelarie wird diese Besprechung aber trotzdem nicht. Leider fehlt Filmriß nämlich jegliches persönliches Flair. Abgesehen davon, daß Holger zweimal seinen Antihelden „Tobi“ ins Rennen schickt, tritt der Herausgeber überhaupt nicht in Erscheinung. Das Magazin hat dadurch etwas Retortenmäßiges; trotz höchster Qualität fürchte ich ein wenig um den Leserbezug. aa
 
Lorsch und Rautie: Hitzerausch. 16 Seiten, s/w, DIN A5. Oje. 36 Seiten, s/w, DIN A6. Kix-Mini # 26 bis 28 und Kix Extra # 2. Piccolos. Alle bei Rautie, Wilhelmsbader Allee, 63454 Hanau.
 
Rautie schickte wieder einen Schwung allerfitzeligster, handkopierter Werke des Kix-Teams (bzw. Raul und Rautie). Treffend kann man im Vorwort von „Oje“ lesen: „... Versuchen Sie mal, die folgenden Seiten zu verstehen, und verstehen Sie, daß es nichts zu verstehen gibt. Haben Sie das verstanden, so verstehen Sie einiges von dem, was es nicht zu verstehen gibt.“ Damit wäre die Philosophie der Kix-Comics grob umrissen. Hitzerausch ist das akzeptabelste Werk des Stapels. Eine Strichmännchenfigur läuft Amok, weil ihr Bier nicht kalt genug ist. Dank des großzügigen Rasterfolieneinsatzes entbehrt das Heft nicht eines gewissen Charmes. „Oje“ trifft den Inhalt allein durch seinen Titel schon ganz gut. Zeichner, die der Kunst nach zu urteilen zwischen zwei und vier Jahre alt sein müßten, bieten Krakelcomics. Ihr großer fünfjähriger Bruder durfte in die Sprechblasen schreiben. Die anderen Teile erscheinen anscheinend wöchentlich. Es geht um Fußball. Leider sind sämtliche Teile nur stellenweise wirklich witzig. Nicht umsonst heißt es in „Oje“: „Vielen Dank für Ihr Verständnis.“ Jo84
 
Edgar Rice Burroughs-Notizen # 30 (Mai 1997). 20 Seiten, s/w, DIN A5. Initiative Kritischer Utopia Beobachter, Kurt S. Denkena, Postfach 750 331, 28732 Bremen.
 
Das schmale Heft ist fast völlig der Lehning-Serie „Peters seltsame Reisen“ von Helmut Nickel gewidmet, in der auch Tarzan, Edgar Rice Burroughs berühmteste Schöpfung, einen Gastauftritt hatte. Für diejenigen (wie zum Beispiel mich), die Lehning mit Hansrudi Wäscher verbinden und sonst höchstens noch wissen, daß da auch Leute wie der elegante Augusto Pedrazza hin und wieder lizenzgedruckt wurden, ist dieser Nachdruck eine faustdicke Überraschung. Nickels Serie, die aus der „bunten Jugendzeitung Harry“ stammt, ist eine köstliche Comic-Parodie und überhaupt ein großes Lesevergnügen. Und gut gezeichnet obendrein. ERBN bringt sechs Folgen (eine Folge umfaßte stets eine Seite); insgesamt erschienen sind laut Skodziks Deutscher Comic-Bibliographie zwischen 1958 und 1960 etwa 90. Hinzu kommen einige Informationen über die Serie, die Publikation und den Künstler sowie ein Nachruf auf den amerikanischen SF-Literaturagenten Sam Moskowitz. aa
 
cOMIc # 30. 28 Seiten, s/w, grünes Cover, DIN A5, nur im Tausch gegen Beiträge oder andere Fanzines bei Gerd Bonau, Kieler Chaussee 35, 24214 Kiel.
 
Ulrich Magin, Bernd Teuber, Thomas Glatz, Olaf Bathke und Manfred Lafrentz haben diesmal längere Comics beigesteuert, die mir alle sehr gut gefallen. Aber sonst? Früher fand ich Omi unglaublich seltsam. Inzwischen finde ich nur noch seltsam, daß Herausgeber Gerd Bonau sich in seinem eigenen Magazin so sehr zurücknimmt. Er publiziert mit nicht nachlassendem Eifer, aber im Heft findet man dann ein lakonisches „Terve“ auf Seite 2 und die obligatorischen Fanzine-Spielregeln auf der vorletzten Seite. Gerd schreibt wohl noch die Fanzinerezensionen selbst. Aber auch hier versucht er, die Essenz stets in zwei elliptischen Sätzen unterzubringen. Seltsam, sehr seltsam. aa
 
Zeitlupe # 27. 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A5, 3 Mark. Tim Böhm, Ludwigshafener Straße 21 D, 76187 Karlsruhe.
 
Tim Böhm verfolgt sein Konzept des milden, hintergründigen Humors und der 50er Jahre-Gemütlichkeit unbeirrt weiter. Diesmal hat er diese Stimmung in Yellow Press-Magazinen wie „Das Goldene Blatt“ oder „Frau im Spiegel“ entdeckt, die er mit seinem perfekt montierten Cover parodiert. In derselben Manier berichtet er im Heft über seine diversen Filmprojekte und die Preise, die er dafür gewonnen hat (merkwürdigerweise erwähnt er dagegen den ICOM-Fanzinepreis, der seinem Magazin in Hamburg zugesprochen wurde, mit keiner Silbe). Die Comics, die von seinen Stammzeichnern Thomas Harske, Haggi, Ulrich Magin, Bernd Teuber, Holger Bommer, Karsten Schley, Pit Eberle, Alwina Götz, „Bruno“ Hartnagel und Benjamin Brandt sowie dem Herausgeber selbst stammen, fügen sich wieder zu einer schönen Einheit zusammen. aa
 
Bussi Hamms
# 1. 32 Seiten, s/w mit Farb-cover, DIN A5. 5,90 Mark. Amigo Comics, Holger Bommer, Starenweg 18, 73730 Esslingen.
 
Es war eine ausgesprochene Biertischidee, das erfolgreiche Kindermagazin Bussi Bär zu parodieren. Abgesehen davon, daß ich nicht sicher bin, ob Bussi Bär solcherart Hohn und Spott verdient hat (zweifellos besser als He-Man oder Power-Rangers oder Super-Mario oder Tamagotchi oder mit welch Monströsitäten die Kurzen heute so aufwachsen müssen), finde ich das Ergebnis sehr amüsant. Da haben halt Könner wie die Dinters, Holger Bommer, Bia Biafra, Haggi, die Berres-Brüder, Jürgen Raatz und SI-Kartuun-Mann Björn Laser sehr effektiv zusammengearbeitet. Die betont heile Kinderwelt von Bussi Bär wird hier sehr gezielt und hämisch zerstört. Kann man schon mal drüber lachen. aa
 
Zebra
# 14. 40 Seiten, s/w, DIN A4, 4,80 Mark. Georg K. Berres, Giselherstraße 19, 50739 Köln.
 
Ich hätte es ja nicht für möglich gehalten, aber die Zebra-Stammcrew tritt in diesem Heft erst auf Seite 25 in Erscheinung und liefert dann bloß noch einen drei Seiten kurzen (aber wunderschönen) Comic am Heftende. Nicht nur Volker Reiche (diesmal mit Bernd Pfarr) ist wieder dabei; dann gibt’s einen sehr Tardi-artigen Beitrag von Ulf Keyenburg; Haimo Kinzler und Karsten Schley werden vorgestellt und geben sodann Proben ihrer Kunst. Diese Leute sind nicht alle voll Zebra-kompatibel, aber alle sehr gut, und überhaupt muß man froh sein, daß es wieder mal ein neues Zebra gibt. aa
 
Jens Natter: ...und die Landschaft ist echt schön! Unten-bei-Comix # 2. 32 Seiten, s/w, DIN A6, 2 Mark. „Mollatsch“-Kultzine, Essig Mederake, Töpfergasse 1, 06188 Landsberg.
 
Bei Jens Natter (auch schon in PLOP zu sehen) zeigt sich ein unbändiges Karikaturistentalent, das zweifellos noch steigerungsfähig ist, aber sich jetzt schon mal in einem eigenen Heftchen austoben darf. Die Sachsen vom „Mollatsch“-Punk-Fanzine geben dem angehenden Erzieher - so ist Jens’ Vorwort zu entnehmen - die Chance, sich im zweiten Unten-bei-Comix darzustellen. Die Gags der Cartoons und kleinen Comics drehen sich um den Tourismus in einem Ostsee-Badeort und reichen vom Sonnenbrand über Fußpilz bis zum Kannibalismus. Nicht immer geschmackssicher (den Begriff habe ich aus alten Texten der Katholischen Filmkritik), aber auch nicht unkomisch. aa
 
Placebo. 16 Seiten, s/w, DIN A6, 1 Mark. Sanchez + Santiago Comics und Cartoons, Hauptstraße 171, 71642 Ludwigsburg.
 
Noch ein Mini-Fanzine. Hier entspricht das Format dem Produktionsprozeß: Das Heft ist, so informieren uns die Autoren, spätabends und dann in einem 14stündigen nächtlichen Gewaltakt entstanden. Es ist gemacht für Leute, die nach den neumodischen Superheldencomics süchtig sind. Wer schon alle neuen Dino-, Splitter- oder Marvelhefte verschlungen hat, findet hier noch eine Dosis Action, wahnsinnige Wissenschaftler, laszive Frauen, finstere Superhelden und natürlich ein Happy-End. Ob dieses Superhelden-Methadon ebenso wirkt wie die Originaldroge, kann der Rezensent leider nicht im Selbstversuch überprüfen, da er schon seit mehreren Jahren weitgehend clean ist. Sanchez und Santiago suchen übrigens für ähnliche Projekte noch Mitstreiter. aa
 
Itsy Bitsy
# 1. 32 Seiten, s/w, DIN A7. Andy Konky Kru, PO Box 8892, London SW 15, Great Britain.
 
Jetzt aber zum Meister des Mini-Formats, der sich dabei auch noch wirklich etwas gedacht hat: Trotz der unglaublichen Abmessungen von rund sieben Zentimeter Breite und zehn Zentimeter Höhe fordert Andy Konky Kru von seinen Mitarbeitern richtige Comics mit mindestens drei Panels pro Seite. Zudem sollten die Geschichten sich auch noch um das Thema „Größe“ drehen. Seinen Aufruf haben immerhin mindestens neun Leute befolgt, darunter zwei aus Deutschland (Ulrich Magin, Bernd Teuber), eine Österreicherin (Ilse Kilic) und ein Franzose (David B.). Und alle haben sich etwas Originelles einfallen lassen. Seit Jonathan Swift sind Geschichten über das Thema „Größe“ eher lustig, sieht man mal von Jack Arnolds „Incredible Shrinking Man“ ab (aber sie enthalten somit auch immer ein Element des Schrecklichen). In der ersten Ausgabe von „Itsy Bitsy“ träumt etwa ein Junge wie bei Winsor McCay davon, zum Riesen zu wachsen, zwei Amöben beginnen eine Liebesaffäre, wir lernen die niedliche Smallworld kennen und sehen einem Baum beim Wachsen zu. Da die Teilnehmer alle nicht zufällig im Heft gelandet sind, wünsche ich mir in der zweiten Ausgabe - sollte der Eifer der Künstler, die über Größenverhältnisse nachdenken, anhalten - noch ein paar persönliche Angaben. aa
 
Kreativo! # 21. 28 Seiten, s/w, DIN A5. 1 Mark plus 1,50 Mark Porto. Kreativo Projekt, Birke, Postfach 2022, 58470 Lüdenscheid.
 
Das persönlichste Egozine, das ich kenne, erscheint nach wie vor pünktlich und zuverlässig, obwohl Herausgeberin Birke sich für die kommenden Ausgaben schon mal vorsorglich mit dem Hinweis auf Prüfungsstreß entschuldigt. Der Inhalt, bestehend aus Konzertberichten, Rezensionen, Gedichten und sonstigen Texten, ist nicht so einfach zu würdigen - man muß schon mal eine Ausgabe selbst lesen. Besonders aufgefallen ist mir diesmal, weil er auch das Cover gestaltet hat, Zeichner Ghost, ein technisch perfekter, sehr filigraner Grafiker, der mich ein wenig an Jack Jaxon erinnert. aa
 
Koma Komix # 16. 44 Seiten, s/w, DIN A5 mit Farbcover, 2,50 Mark plus 1 Mark Porto. Weißblech Comics, An der Landstraße 5, 23758 Kükelühn.
 
Das Gemeinschaftsdusche-Cover ist diesmal das Beste am Heft. Die in drei Kapiteln ausgebreiteten Sommer-Strand-Erlebnisse der Clubbrüder reizen erst am Ende so richtig zum Lachen. Die Fortsetzungsgeschichte mit Saufgard-Recke Quyris endet vorerst. Für eine weitere Kurzstory war diesmal kein Platz mehr. Sicher nicht die günstigste Ausgabe, um bei Koma Comics einzusteigen. aa
 
Pascalifax # 6. 24 Seiten, s/w DIN A 5. Pascalifax, Dittersdorfer Straße 146c, 09122 Chemnitz.
 
Dieses Kindermagazin wird von einem Chemnitzer Mosaik-Club herausgegeben. Vom Clubleiter, Jörg Fiedler, habe ich inzwischen Näheres erfahren: Der Club hat sich nach einem gemeinsamen Projekt mit dem bekannten Mosaik-Club in Apolda gebildet. Wie Roman Turowski in PLOP # 49 berichtet hat, gab es zu DDR-Zeiten an Comics praktisch nur „Mosaik“. Deshalb sind Fan-Aktivitäten im Osten offenbar bis heute stark auf „Mosaik“ fixiert. Jörg Fiedler hat also einen anderen Leserkreis als Fanzines im Westen. Dennoch setzen sich auch die „Pascalifax“-Leser durchaus heterogen zusammen: außer eingefleischten „Mosaik“-Fans gibt’s da auch Zeichenanfänger, die ihre ersten Schritte im Comicberich tun. Neben Comics und kindgerechten Unterhaltungs- und Rätselseiten spielen die Clubaktivitäten im Heft eine große Rolle: „Mosaik“-Ausstellung im Neefepark, Fahrt zur „Mosaik“-Redaktion in Berlin, eine Übersicht über bedeutende historische Persönlichkeiten, denen die Abrafaxe bisher noch nicht begegnet sind, und so fort. Es wird immer deutlicher, daß das „Mosaik“-Umfeld eine interessante Bereicherung der Fanszene darstellt. aa
 
Comicer # 48 (Herbst 1997). 16 Seiten, gelbes Cover, DIN A 4, im Abo 20 Mark für sechs Ausgaben oder im Tausch gegen Zines, im Laden kostenlos. Comicer, Stiftstraße 39, 60313 Frankfurt/M.
 
Das Gemaule im letzten PLOP hat gewirkt: Schuldbewußt hat die Redaktion eine Heftchen-Corner eingeführt. Ein etwas irreführender Titel; früher hieß die Abteilung auch mal „Zine-Control“. Aber eine gute Seite über einheimisches Fandom und Underground - da kann man nicht meckern. Auch sonst ist der Comicer natürlich wieder eine höchst informative Lektüre. Besonders lesenswert fand ich die Analysen des deutschen Comicmarkts nach dem Mange-Hype und des risikominimierten Ehapa-/Feest-Herbstprogramms. aa
 
Schattenseiten # 4 (Mai 1997). 32 Seiten, Farbumschlag, DIN A4, 12 Mark im Viererabo, im Ruhrgebiet kostenlos. Fake Press, Andreas Heinze, Schultheißstraße 13, 46047 Oberhausen.
 
Inzwischen ist schon die August-Ausgabe erschienen, aber zur Rezension liegt mir nur die vorangegangene Nummer vor, die mir Alexander Pavlenko freundlicherweise überlassen hat. „Schattenseiten“ ist das Ruhrpott-Pendant zu Moga-Mobo oder Ilsemann. Witzig eigentlich, daß die Stadtzeitung jeder Region ein bißchen anders geprägt ist, was aber nüchtern betrachtet einfach daran liegt, daß sie jeweils von anderen Zeichnern gestaltet wird. Der beste Mann in Schattenseiten ist Ulf Keyenburg, den Stempel drücken dem Heft aber ein paar Superheldenfans auf („diese überbemuskelten Hampel, die aussehen, als hätten sie den gleichen plastischen Chirurgen wie die Baywatch-Darsteller“, heißt es dann wiederum in den Comicrezensionen). Der Rezensent ist aber natürlich auch Superheldenfan, was man spätestens bemerkt, wenn er die Frage aufwirft: „Wie man nur auf die Idee kommen kann, dem Herrn von Krypton diese vorne-kurz-hinten-lang-Kickermatte zu verpassen?“ So leidet nur, wer liebt. aa
 
Art Attack # 6. 56 Seiten, s/w, DIN A4, 3 Mark. Angi Henn, Felchesgasse 40, 64291 Darmstadt.
 
Endlich gibt’s mal wieder ein neues Art Attack. Angi hat einmal mehr ihre liebe Mühe, Comicfans und Punks miteinander zu versöhnen. Ich gehöre jedenfalls zu der Minderheit, die findet, daß es ihr gelingt. Unter den Comics möchte ich vor allem die von Oliver Ferreira, Zack und Anja & Joy hervorheben (alle aus PLOP bekannt). Zudem beendet Angi ihren Fortsetzungscomic „Into the Future“, der in ein richtiges Clockwork Orange-Szenario mündet, bevor sich alles als Traum herausstellt. Aber das ist der Teil des Hefts, der den meisten Lesern stinkt. Ansonsten gibt es Interviews mit den Bands Jet Bumpers und Taktlos; Platten- und Fanzinerezensionen, Reiseberichte unter anderem vom Hamburger Comicfestival und einige sehr persönliche Betrachtungen zu Beziehungsfragen, dem Einfluß von Blondie auf Kinder und einer Bauerndisco in Biebesheim. Art Attack trägt den unverwechselbaren Stempel der Herausgeberin, und das sollte so bleiben. aa
 
Nektar # 1. 20 Seiten, s/w, DIN A4, 1,90 Mark. Maya Birken, Postfach 2090, 32377 Minden.
 
Nektar ist ein nettes Undergroundmagazin aus Minden, das sich allen möglichen Themen widmet und sich an jeden richten möchte, der irgendwie etwas tun oder sagen will. Neben Buchbesprechungen (Clive Barker, William Kotzwinkle, Philippe Djian), Plattentips, einem Mixrezept, Gedichten und allem möglichen gibt es einen Bericht über die band „Assassins“, eine Seite über Julie Doucet und zwei Comicseiten, die den Anfang einer Geschichte bilden. Der Höhepunkt der Ausgabe war für mich jedoch der Erfahrungsbericht über Angstzustände, der durch seine Ehrlichkeit stark beeindruckt. Leider soll Nektar bislang nur zweimal im Jahr erscheinen. Ich würde es dem hervorragend aufgemachten Mag gönnen, auch öfter herauszukommen. Jo84
 
Supersonic Spezialitäten # 22 und 46. Je 24 Seiten, DIN A5. Linda Wölfel, Mozartstraße 2, 32429 Minden.
 
Supersonic Spezialitäten hat ein ähnliches Konzept wie Nektar, präsentiert sich aber wesentlich musikorientierter. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf All-Girl-Bands, was auch in Ordnung geht. Das Layout ist etwas punkiger, die Numerierung der beiden ersten Ausgaben pure Anarchie, und die Seiten leider nicht geklammert (sorry, das müßt ihr unbedingt ändern, Mädels). Neben wissenswerten Artikeln über Team Dresch, Ovarian Trolley, Hazel und Sleater Kinney (# 22), Bikini Kill und Ani di Franco gibt’s auch schon mal ein paar kleine Comics und Artikel über Filme, Bücher und Erfahrungen von Frauen in dieser unserer Männerwelt. Mir haben die beiden Hefte ganz gut gefallen. Jo84
 
Persona Non Grata (PNG) # 31 und 32. 64, bzw. 88 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A4, 4 Mark. PNG e. V., Thomas Weber, Schiebestraße 47, 04129 Leipzig.
 
Dieses Musik-Zine hat mir Peter Hoffmann informationshalber mitgeschickt. Er ist beinahe allein für die Grafik zuständig und sucht daher Mitstreiter. PNG ist schon vor mehr als sieben Jahren in Leipzig gegründet worden, seit 1996 steht dahinter der eingetragene „Verein zur Förderung unkommerzieller und unabhängiger Kultur“ (Panel-Modell). „Nein, wir werden nicht die Kölner Spexler jagen, wir wollen ja irgendwie lustig bleiben“, verkündeten die Macher in der # 20. Nach meinem Eindruck ist PNG aber zumindest das, was Spex vor vielleicht zehn Jahren mal gewesen ist. aa
 
Sagittarius
# 29. 52 Seiten, s/w, DIN A5, 2 Mark plus Porto. Klaus N. Frick, Leopoldstraße 29, 76133 Karlsruhe.
 
Sagittarius ist noch ein bißchen älter als PLOP und ein Fanzine im besten Sinne. Ähnlich wie Enpunkt, das ich in der vergangenen Ausgabe vorgestellt habe, drückt ihm Herausgeber Klaus N. Frick seinen Stempel auf, wenngleich hier die meisten Beiträge - Prosa, Artikel, Illustrationen - von Fremdautoren stammen. Wir befinden uns in der Welt des Science Fiction-Fandoms. So geht es zum Beispiel um den Autor Wolfgang Altendorf, der in Deutschland so gut wie nicht publiziert wurde, um neue historische Romane des Perry Rhodan-Autors Hans Kneifel oder um eine Bibliographie der DDR-Science Fiction. Aber auch ein Comic von Gerhard Schlegel (vor vielen Jahren auch mal im Amateurcomic-Reader vertreten) ist in dem Heft zu finden. Ich will auf die Inhalte nicht näher eingehen, aber das Konzept von Sagittarius gefällt mir grundsätzlich sehr gut: Ernsthaft und akribisch, wo es nötig ist, und immer sonst mit sympathischer ironischer Distanz zum Thema (die hier im Gegensatz zu Enpunkt aber nur in der einen oder anderen Randnotiz aufscheint). Der alte Mitarbeiter Günther Freunek beklagt freilich im offenen Disput mit dem Herausgeber, Sagittarius habe in dieser Hinsicht nachgelassen. Das Magazin befindet sich wohl im Augenblick auf einer Gratwanderung zwischen Fanzine und Fachmagazin. Mir als Außenstehendem kommt es so vor, als sei sie in dieser Ausgabe gelungen. aa
 
Panik Press # 5. 36 Seiten, s/w, DIN A4. Panik Press, Fischnalerstraße 4, A-6026 Innsbruck.
 
Ein ganz schön wüstes Punk-Fanzine; um welche Ausgabe es sich handelt, erfährt man beispielsweise erst im hinteren Drittel des Hefts (obwohl - wenn ich sowas öfter lesen würde, wäre ich wahrscheinlich nicht ganz so beeindruckt). Daß das Zine aus Österreich kommt, kann man schon daran sehen, daß sich auf der Leserbriefseite Franz Vranitzky zu Wort meldet. Über Geschichte, Leserschaft, Wirkung und so weiter von Panik Press weiß ich sonst nichts. Die Redaktion hat mir einfach ein Exemplar zugesandt. Das Cover fand ich schon mal ziemlich klasse; da sieht man eine mit Palmers-Dessous angetane Riesenfrau, die mit ihrem rechten Fuß einen Omnibus zerdrückt, so wie andere Frauen vielleicht in ihre Espandrillos schlüpfen. Im Inneren gibt es einen deutlichen Musik-Schwerpunkt (Plattenkritiken, Interviews mit Attwenger und einer mir nicht bekannten Band), aber auch andere Elemente von herrlich doofen Schlagzeilen aus der Kronenzeitung bis zur Würdigung des US-Linken Noam Chomsky. Und auch für zwei Comics war Platz. aa
 
Christian Futscher: was mir die adler erzählt. 68 Seiten, s/w, stabiler Umschlag, DIN A5. Zweite Auflage. ISBN 3-900956-30-8. 90 Schilling (13 Mark). Schau, der kleine Vogel! 84 Seiten, s/w, stabiler Umschlag, DIN A5. ISBN 3-900956-35-9. das fröhlichewohnzimmer-Edition, Fuhrmannsgasse 1A/7, 1080 Wien.
 
Als der Erste Weltkrieg vorüber war, hatten Künstler erstmals den Eindruck, daß sie die Kultur nicht länger mit Gutem, Wahrem und Schönem voranbringen würden, sondern den Bankrott aller Sinndeutungen und das Ende der Werte eingestehen müßten. Diese Bewegung hieß Dada, daraus entstand später der Surrealismus, und damit war die Kunst dann irgendwie doch wieder zu Sinngebung und Werterhaltung zurückgekehrt. Leute wie Hans Arp und Ernst Jandl sind zwar heute noch ein bißchen bekannt, aber immer noch gibt es eine Berechtigung dafür, die vorgeblich rationale Wirklichkeit mit Naivität oder hinterfotziger Umdeutung zu zertrümmern. Das tut Christian Futscher, über den ich sonst leider nichts weiß, in seinen beiden Büchern. In „was mir die adler erzählt“ erzeugt er aus Zeichen seiner Schreibmaschine lustige Bildchen (wie das in dieser Ausgabe auch Klaus Bosch für PLOP getan hat), in „Schau, der kleine Vogel“ zeichnet er mit einfachsten Mitteln Einzelbilder und kleine Sequenzen. Ein Vogel besteht da aus zwei Häkchen, „wie ich sie in der Volksschule nicht zeichnen durfte“, merkt Futscher an einer Stelle bissig an. Dreht man die Häkchen zur Seite, so wird daraus ein Popo. Und so weiter. „Die Kunst ist ein großes weites Feld, auf dem die unterschiedlichsten Vogelscheuchen herumstehen“, postuliert er gegen Ende des Buchs. aa
Zu Besuch im fröhlichen Wohnzimmer: Als mir Ilse Kilic neulich wieder mal ein paar Comics schickte, ergriff ich die Gelegenheit, sie danach zu fragen, was denn eigentlich hinter dem „fröhlichen Wohnzimmer“ steckt, das zu ihrer Adresse gehört und offenbar so etwas wie einen Verlag bezeichnet. Wenig später erhielt ich ein dickes Paket mit Verlagsprodukten, Programm und vielen Informationen. Das fröhliche Wohnzimmer, schrieb mir Ilse, „ist so eine Mischung aus Underground und hm -  in sogenannten ,etablierten Zusammenhängen‘ der (Literatur-) Szene sich behaupten können/wollen/müssen. Auflagenhöhe meist 500 Stück. Ist bei den österreichischen Kleinverlagen ,normal’.“ Hier eröffnete sich also wieder mal ein Zugang zu einer anderen Szene, der Underground-Literaturszene. Ilse und Kompagnon Fritz Widhalm starteten vor etwa zehn Jahren mit kopierten, handgehefteten und -bemalten Büchern in 100 bis 150 Stück Auflage, die in „Beiseln“ verkauft wurden. Erst mein Brockhaus von 1948 gab mir Aufschluß darüber, daß das ein österreichisches Wort für Kneipen ist. „Motivation: Texte von unserer Meinung nach fröhlichen Autoren zu veröffentlichen“, heißt es im Verlagsprospekt, „wollte uns wohl jemand unterstellen, wir hätten keinen ordentlichen Verlag gefunden, waren wir darauf vorbereitet, fröhlich zu antworten, daß wir danach nicht gesucht hatten.“ An etablierten Verlagen haben Ilse und Fritz vor allem auszusetzen, „daß nämlich nicht der Text im Vordergrund stünde, sondern dessen Verkäuflichkeit, dessen Eignung zur Ware“. Drei Jahre ging das so, dann beschlossen sie, das Projekt ein wenig zu professionalisieren und selbst „ordentliche“ Bücher zu produzieren. Das erste hieß „fröhlich und einfach ,Buch’“. Inzwischen gibt es 34 Bücher mit teilweise durchaus aussagefähigeren Titeln. Gleichzeitig mit dem Verlag gründeten Ilse und Freunde auch die Musikgruppe „das fröhliche Wohnzimmer“, die sie so beschreibt: „In unserer fröhlichen Wohnzimmerband hat sich die Bezeichnung Experimentalpunk einge-, nein, nicht eingebürgert, eingespielt. Die Elemente des ordentlichen Punk treten allerdings hinter der Lust am fröhlichen Experiment, am Erarbeiten neuer Zugänge zurück.“ Produziert wurden eine Single, eine Mini-CD und zuletzt eine CD als Teil des „Sammelbands“ zum zehnjährigen Bestehen des fröhlichen Wohnzimmers. Kontakt: siehe oben. aa
 
Miguelanxo Prado: Der tägliche Wahn # 3. 64 Seiten, Farbalbum, 24.80 Mark. Ehapa.
 
Miguelanxo Prado dürfte den meisten Comiclesern ein Begriff sein, da er mit diesem Werk sein bereits achtes Album in deutscher Sprache vorlegt. Wie schon in den vorangegangenen Folgen der Reihe „Der tägliche Wahn“ handelt es sich um eine Zusammenstellung von Kurzgeschichten, die für verschiedene Magazine entstanden. Die 17 hierzulande bislang unveröffentlichten Geschichten kann man wieder einmal als bitterböse und absolut treffende Bestandsaufnahmen unserer Gesellschaft bezeichnen. Allerweltsthemen wie der Dinotrend, Behördengänge, Glaubensfragen, Einkauf von Weihnachtsgeschenken und viele weitere werden von Prado erkannt, analysiert und oft recht drastisch überspitzt. Die so entstandenen Satiren sind trotzdem meist leider gar nicht so abwegig. Man sollte meinen, daß Prado bei einer durchschnittlichen Storylänge von vier Seiten wohl kaum genug Platz hat, wirklich tiefgründige Texte zu schreiben. Mir ist jedoch wieder einmal bewußt geworden, daß er einer der besten Comictexter der Welt ist. Besonders sympathisch macht die Lektüre die Tatsache, daß Prado trotz des Zynismus der Stories die Wünsche und Träume seiner Leser erkennt und in fast allen Geschichten die jeweiligen Arschlöcher ihrer gerechten Strafe zuführt. Sehr zur Zufriedenheit des Lesers. Jo84
 
Timo Würz, Niki Kopp: XTC # 2. 48 Seiten,  Farbalbum, 16,90 Mark. Carlsen.
 
Mit Band 2 liegt bereits der Abschluß dieses herrlich grellen, nicht allzu ernst gemeinten ultimativen Comics über die sogenannte Generation X vor. Die Technik, in der dieser absolut grandiose Farbrausch entstand, beschrieb ich schon in PLOP # 50. Die direktcolorierten  Bilder wurden am Computer bearbeitet und so die Vorder- und Hintergrundschärfe verwischt. Diese Spielerei wurde etwas zu exzessiv benutzt; weniger davon hätte manchen Bildern gutgetan. Das ist aber nur ein Kritikpunkt am Rande, denn dieser Band ist ein Meisterwerk. Viele werden Kopp textliche Uninspiriertheit vorwerfen, da das Album nichts weiter ist als ein langgezogener Showdown mit effektheischendem Finale, aber ein Werk, das das Lebensgefühl der MTV-Kids widerspiegelt, kann und darf überhaupt nichts anderes sein. Jo84
 
Brunschwig, Servain: Warrens Schwur # 2. 56 Seiten, Farbalbum, 22.90 Mark. Carlsen.
 
Während einer Sitzung beim Psychologen gelingt dem Serienmörder Warren Wednesday die Flucht aus dem Gefängnis von San Luciano. Lieutenant Ritchie, der mit der Verfolgung des Flüchtigen beauftragt wird, versucht, sich ein Bild von Warrens Leben zu machen, um ein Täterprofil erstellen zu können. Dabei stößt er auf die traurige Geschichte eines Jungen, dessen Leben von Geburt an nur die Bestimmung hatte, den fragwürdigen Traum seines Vaters zu vollenden, der als Massenmörder hingerichtet wurde. Besser als der Werbetext kann man dieses zweite Album des auf fünf Bände angelegten Zyklus wohl kaum beschreiben. Der Band beinhaltet einen Bruch zur Storyline des ersten, ist aber nicht minder spannend und interessant aufgebaut. Hier sind echte Könner am Werk, die es verstehen, eine angemessene Stimmung mit einer hervorragenden Story zu kombinieren. Einige im ersten Band aufgeworfene Fragen werden geklärt, und irgendwann erscheint das Album in sich abgeschlossen. Deshalb bin ich schon gespannt auf die Folgebände. Zusammen mit „XTC“ ist „Warrens Schwur“ die beste der neueren Reihen, die Carlsen momentan zu bieten hat, und in jeder Hinsicht empfehlenswert. Jo84
 
William Vance, Jean van Hamme: XIII # 12. Der letzte Zeuge. 48 Seiten, Farbalbum, 16.90 Mark. Carlsen.
 
Vance und van Hamme sind mittlerweile wohl schon als Altmeister der Comics zu bezeichnen. Ihre vielen Serien erscheinen in kontinuierlich routiniertem Abstand und weisen handwerklich kaum Mängel auf. So ist es auch in Band 12 ihrer Reihe XIII, die von Anfang an durch abenteuerliche und weit hergeholte und trotzdem logisch fehlerfrei aufgebaute Texte bestach. Dieses Album wartet mit dem Anfang eines neuen Zyklus auf, der jedoch thematisch an den letzten anknüpft. In den vorangegangenen Bänden erfuhren wir, daß der fiktive amtierende Präsident der USA, Walter Sheridan, eine Menge Dreck am Stecken hat und daß es XIII bisher unmöglich war, dies der Menschheit zu beweisen. Nun bekommt er eine Chance, dies nachzuholen, als seine alten Freunde den Präsidenten entführen und per Live-Übertragung ganz Amerika Beweise liefern wollen. Offiziell nicht in diese Sache verwickelt, werden er und seine Partnerin Jones bald wieder zum Spielball zwischen den Interessenskonflikten, was sie in eine Menge Schwierigkeiten bringt. Wie immer ist die Story mehr als krude, aber spannend aufgebaut, weshalb ich bisher jedes Album gekauft habe. Zeichnerisch bleibt Vance natürlich immer Vance - warum auch nicht? Schließlich ist er ein Klassiker. Jo84
 
Frank Le Gall: Ein Fest für den Weihnachtsmann. 54 Seiten, DIN A 4 quer, Hardcover, farbig, 34,90 Mark. Carlsen.
 
In letzter Zeit scheint es nicht mehr so verpönt zu sein, Kinder jüngeren Alters auch mit Comics statt Bilderbüchern zu beglücken, während sich immer mehr Erwachsene (inklusive meiner Wenigkeit) dabei ertappen, auch gerne mal Kinderbücher für jüngeres Publikum zu konsumieren. Carlsen, seit jeher Trendsetter im Comic- wie auch im Kinderbuchbereich, schafft mit diesem Album einen Brückenschlag zwischen beiden Bereichen. Textlich eindeutig an Weihnachtsbüchern orientiert, gestaltete Le Gall dieses Buch größtenteils als Comic, der jedoch ab und zu noch dem Kinderbuch huldigt, da er mit ganzseitigen Illustrationen durchsetzt ist. Die Geschichte um Umbala und seinen Besuch beim Weihnachtsmann könnte deshalb der ganzen Familie gefallen. Immer wieder gern liest man Neuinterpretationen aus des Weihnachtsmanns Weihnachtswerkstatt, Schwierigkeiten mit der Fertigung der Geschenke, und wie menschlich es doch selbst bei den himmlischen Heerscharen zugeht. Und man freut sich, wenn dann doch noch alles klappt und man sogar noch eine Weisheit mit auf den Weg bekommt. Preislich fällt der Band jedoch in die Kategorie „Dinge, die man sich selbst kaum leisten kann“. Eine Kreuzung aus Comic und Bilderbuch sollte nicht bedeuten, daß sie so viel kostet wie beides zusammen. Jo84
 
Illustrierte Kinder-Klassiker - Band 1: Mazan: Das tapfere Schneiderlein; Band 2: Miguelanxo Prado: Peter und der Wolf. Je 32 Seiten, DIN A4, Farbalbum, Hardcover, 24,80 Mark. Ehapa.
 
Auch der Ehapa Verlag scheint der Ansicht zu sein, daß Kinderlektüre auch für Erwachsene attraktiv sein kann. Die neue Reihe, im Katalog sogar extra als „Zum Lesen und Vorlesen“ ausgewiesen, soll international profilierten Zeichnern die Möglichkeit zur Interpretation klassischer Stoffe gegeben werden. Den Anfang macht der 1968 in Perigeux geborene französische Künstler Mazan, der hierzulande noch recht unbekannt ist. Die leichtfüßig bebilderte Geschichte der Brüder Grimm ist eine waschechte Comicadaption, die man nur als sehr gelungen bezeichnen kann. 1996 erschien bei Guy Delcourt die Originalausgabe dieses Bandes, der vor allem durch eine wunderschöne Colorierung besticht und sich sehr eng an die Märchenvorlage hält. Band 2 ist zwar ebenso ein Comic, steht jedoch durch seine Maltechnik und die Einführung durch ganzseitige Illustrationen dem Bilderbuch für Kinder wieder einen Schritt näher. Zwar hält sich Prado auch recht eng an die Vorlage. Da jedoch das Bild dominiert, finden sich im Text doch einige Sprünge, bei denen das Gefühl früherer Interpretationen nicht so recht aufkommen will. Das soll allerdings nicht heißen, daß der Band schlecht ist. Der Ehapa-Verlag dürfte mit seinen hervorragend aufgemachten „Kinderbüchern“ zum geringeren Preis jedenfalls das Rennen gegen Carlsen gewinnen. Gespannt bin ich vor allem auf Band 3, in dem Will Eisners Interpretation von Moby Dick zum Abdruck kommen soll. Jo84
 
Akira Toriyama: Dragonball # 1 bis 4. Je 192 Seiten, s/w, 12 mal 17,5 Zentimeter-Taschenbuch mit Farbcover, 9,90 Mark. Carlsen.
 
Endlich scheint Carlsen die Zeichen der Zeit zu erkennen und bietet mal Produkte an, die unter 10 Mark kosten. Hierfür konnten sie sogar einen dicken Fisch an Land ziehen, nämlich den angeblich meistverkauften Comic der Welt. Wahrscheinlich ist er das tatsächlich, denn ich finde, er ist an Belanglosigkeit kaum zu überbieten. Man sieht einmal wieder, daß Verkaufszahlen absolut kein Kriterium für Niveau sind. Der japanische Markt ist eben so groß, daß es zu diesem Titel reicht, auch wenn den Comic außerhalb der Landesgrenzen kein Mensch kennt. Carlsen will diesen Zustand nun seltsamerweise ändern und hat eine riesige PR-Maschinerie angeleiert. Allerdings war man zu geizig, für diesen Endverkaufspreis die Seiten umzumontieren, so daß man wie im japanischen Original von hinten nach vorne lesen muß. Allein dieses Kuriosum sowie die Tatsache, daß man die Taschenbücher selbst schon in Supermärkten kaufen kann, werden die langweiligen und banalen Geschichten für ein circa achtjähriges Publikum schon zum Verkaufsrenner werden lassen. Jo84
 
Brad Wright, Sabine Weiss: Outer Limits # 2. 48 Seiten, US-Format, Farbalbum, 16,80 Mark. Feest.
 
Outer Limits war in den 60er Jahren eine der erfolgreichsten Gruselserien des amerikanischen Fernsehens, bevor es Mitte der 90er Jahre im Fahrwasser von Akte X mit dem Konzept in sich abgeschlossener Geschichten zu neuen Ehren kam. Wie es in den 90ern üblich ist, werden die Drehbücher nicht nur als Fernsehfilme, sondern auch noch als Romane und Comics verwurstet, wobei auch durchaus mal Leute mitmischen dürfen, die ohne den vorgegebenen Markennamen auf dem freien Markt nur äußerst geringe Verkaufschancen hätten. Interessant an dieser Reihe ist höchstens, daß die grafische Umsetzung eine deutsche Eigenproduktion ist und man für die Gestaltung drei junge Zeichnerinnen gewinnen konnte. In einem Land, das nicht gerade von Comiczeichnerinnen überquillt, ist dies wohl schon beachtenswert. Leider will mir die grafische Umsetzung dieses Bandes, wie schon Band 1, nicht so recht zusagen. Das schon ziemlich uninteressante Drehbuch von Brad Wright über einen großen interstellaren Krieg (gähn) wurde in groben Strichen skizziert, denen man sowohl die mangelnde Übung als auch den Zeitdruck der Produktion ansieht. Aber so ist das nun mal, wenn man auf einen Zug aufspringt, der schon lange abgefahren ist. Jo84
 
Convard, Siro: Polka # 1. Die Macht von Orpheus. 60 Seiten, Farbalbum, 16,80 Mark. Delta.
 
Der 1969 in Le Havre geborene französische Zeichner Siro hat in seiner Heimat in den letzten vier Jahren mit seinem angeblich von Liberatore und Frazetta beeinflußten Zeichenstil auf sein Talent aufmerksam gemacht. In Zusammenarbeit mit seinem 1950 geborenen Landsmann Didier Convard entstand der vorliegende Science Fiction-Krimi, der im Paris des Jahres 2038 spielt. Natürlich wird die Zukunft sehr düster dargestellt. Vor allem Smog, Arbeitslosigkeit und Computer machen den Einwohnern das Leben schwer. Das muß auch Lorenz „Polka“ Polsky feststellen. Bei einer Routineuntersuchung eines Selbstmords stößt der Polizist auf Ungereimtheiten. Kurz darauf wird sein Kompagnon ermordet, und seine Computerkarten sind plötzlich gesperrt. Ohne die Karten ist er so gut wie nicht existent. Umgehauen hat mich der in sich abgeschlossene erste Band der neuen Reihe nicht gerade, als schlecht kann man ihn jedoch auch nicht bezeichnen. Die düstere Computercolorierung und der seltsame Zeichenstil sind einfach nicht so mein Geschmack, und der Text kommt über gute Ansätze kaum hinaus, weil das Thema einfach viel zu ausgelutscht ist. Ein Album des absoluten Mittelmaßes, und das reicht mir bei den heutigen Comicpreisen einfach nicht mehr. Jo84
 
Massimiliano Frezzato: Der Planet ohne Erinnerung # 1. Der zweite Mond. 44 Seiten, Farbalbum, 18,90 Mark. Carlsen.
 
Auf den ersten Blick macht das Ding keinen schlechten Eindruck. Der Malstil des Albums, dessen Originale direkt in Farbe entstanden, orientiert sich an den Eckpunkten Vincente Segrelles, Alfonso Azpiri und Juan Giminez, gemischt mit ein bißchen Waterworld. Am besten blättert man es einmal durch und stellt es ins Regal. Denn wenn man erst einmal anfängt zu lesen, merkt man, was für einen unerträglich langweiligen und verwirrenden Scheiß Frezzato da zusammengeklaut hat. Der Einführung kann man gerade noch folgen, wenn man auch gefordert ist, die „Eize“ zusammenzurechnen, um zu wissen, in welchem Eiz die Geschichte spielt. Das Ganze trägt sich zu auf einem Planeten, dessen Namen sich keiner der Bewohner gemerkt hat (siehe Titel). Wer das Album gelesen hat, weiß auch warum: Es lohnt sich nicht. Jedenfalls hat ein blutiger Bürgerkrieg (gähn) mit dem „unterdrückten und geschundenen Volk der Zwerge“ (doppelgähn) im 18. Eiz (jaja, schon gut) die einst blühende Zivilisation (dauergähn) auf einem weit entfernten Planeten (schnarch) zerstört und jegliche Erinnerung daran gelöscht (ratzepüh). Doch einige Bewohner versuchen trotzdem, die alten Legenden zu ergründen. Textlich beschränkt sich das Werk auf das Allernötigste. Einige Zitate gefällig? Seite 26: „Wie spät ist es?“ - „2 Hoz und 30 Moz.“ Seite 27: „Erha! Der zweite Mond! Wir dachten, er würde erst in zwei Syntriben wieder erscheinen.“ Seite 42: „Wo ist er denn jetzt? Ist er weg?“ Slash Strock Stud Clack Clack „Neeiin! Meine Vorräte!“ Vvrrrrr Sock „Friß den Propeller!“ Clunk und so weiter. Leider unter aller Sau. Michael Möllers Lettering ist wieder mal das einzig Gute an dem Band, dessen Inhalt man mit zwei Worten zusammenfassen kann: Schöne Farben. Jo84
 
Honk Studios Berlin: Käptn Blaubär # 2. Schiffbruch. 48 Seiten, Farbalbum, Hardcover, 18 Mark. Ehapa.
 
Relativ schnell legt Ehapa Band 2 der beliebten Kinderserie aus der unerschöpflichen Erfindungskraft von Walter Moers Feder vor. Mit der Erstellung des Blaubär-Kosmos hat er natürlich schon seit Jahren nichts mehr zu tun. Dies erledigt routiniert das Berliner Honk Studio, das mit Peter Petri und Hansi Kiefersauer zwei große Talente beherbergt, bei denen es eine Schande ist, daß sie nie selbst den Durchbruch geschafft haben. Ersterer erstellte die Texte des vorliegenden Bandes, letzerer schuf einen Großteil (40 Seiten) der Zeichnungen. Die restlichen vier Seiten wurden von Graham Higgins realisiert, der nicht ganz so viel Kultstatus genießt. Die Strips und mehrseitigen Geschichten sind letztlich natürlich nichts besonderes, aber immerhin gute Unterhaltung. Obwohl ich bemerken muß, daß Band 1 besser war. Jo84
 
Carl Barks: Barks Library # 31. 56 Seiten, Farbalbum, 16,80 Mark. Ehapa.
 
„Duckman“ Carl Barks erfreut uns in Band 31 der Werkedition wieder mit fünf zum Lachen stark anregenden Geschichten aus der Zeit von Juli bis November 1956, die nach amerikanischem Vorbild wieder sorgfältig bearbeitet wurden. Interessant wie immer auch die Hintergrundinformationen, in denen durch den Abdruck der privaten Briefwechsel Barks’ die Anfänge der Barksmania ersichtlich werden. Jo84
 
Herge: Tim im Kongo / Tim in Amerika / Der blaue Lotus / Die Zigarren des Pharao. Je 64 Seiten, Farbalben, Softcover, 16,90 Mark. Carlsen.
 
Da ist sie nun also, die neue, verbesserte Edition des Zugpferds von Carflsen, „Tim und Struppi“. Neu übersetzt, erstmals nach über 30 Jahren im Programm handgelettert und bereits der neuen Rechtschreibregelung angeglichen. Über die ist ja das letzte Wort noch nicht gesprochen, und eine Reklame mit der im Volk eher unbeliebten Reform könnte auch ganz schön nach hinten losgehen. Tatsache ist, daß das Handlettering den Bänden guttut, wenn der erste Anblick verständlicherweise auch eher ungewohnt ist. Ein Unterschied, der sofort ins Auge fällt, ist das neue Papier. Das alte Druckpapier war stumpf, während das neue eher glänzend ist. Dadurch erscheinen die Farben weniger satt, und da „Tim und Struppi“ sowieso eher dezent coloriert ist, ist dies für mich eindeutig ein Manko. Lobenswert ist die Herausgabe in ihrer ursprünglichen chronologischen Reihenfolge, wobei es bis Ende 1999 (so lange sollen die neuen Abenteuer bis zur kompletten Vorlage brauchen) einige Verwirrung in der unterschiedlichen Numerierung der Alben geben wird. Inhaltlich wird also bei den ersten beiden Alben begonnen, deren ursprüngliche Versionen zwischen 1930 und 1935 in der belgischen Zeitschrift „Le Petit Vingtieme“ erschienen. Die vorliegenden zeichnerischen Überarbeitungen stammen aus den Jahren 1946 (Kongo, Lotus), 1945 (Amerika) und 1955 (Pharao). Textlich ist Tim noch nicht so recht der Charakter, der er später einmal wird. In Band 1 erschießt er zum Beispiel mal eben gerade einen Affen, um sich dessen Fell überzustreifen. So etwas wäre in späteren Bänden undenkbar gewesen. Für eine adäquate Version der Klassiker war es jedoch schon lange Zeit. Ich hätte mir jedoch Hardcoverausgaben gewünscht. Ich wette, ab dem Jahr 2000 erscheinen die dann, damit Carlsen nochmal bei den Fans absahnen kann. Jo84
 
Ralf Schlüter: Schattengänger # 1. Das Dorf im dunklen Land. 48 Seiten, Überformat-Farbalbum, Softcover, 22,80 Mark. Edition Comic Speedline.
 
300 Jahre nach der großen Verwandlung der Welt leben die wenigen überlebenden Menschen in kleinen, verbarrikadierten Städten, den „Domen“. Geschützt von meterhohen Mauern und einem Wall aus Licht warten sie darauf, eines Tages wieder die Herrschaft über die Außenwelt antreten zu können. Denn diese, ehrfurchtsvoll das „dunkle Land“ genannt, wird von unheimlichen Kreaturen und Wesen aller Art bevölkert. Nur der Schattenbrenner zieht von Dom zu Dom, um auf seinem Weg alle nichtmenschlichen Einwohner zu vernichten. Zachain ist ausgewählt, den Schattenbrenner auf seinem Weg zu begleiten. Er ist selbst ein Außenseiter, denn er erinnert sich an ein Leben vor der großen Verwandlung, obwohl dies gar nicht möglich sein kann. Mit dem auf zwei Teile angelegten „Schattengänger“ legt der Bielefelder Ralf Schlüter einen düsteren Comicroman vor, der an der Grenze zwischen Fantasy, Horror und Endzeitepos angelegt ist. Abgesehen von dem thematisch verwandten S/w-Vorläuferwerk „Nachtodyssee“ handelt es sich um das Debüt eines Grafikers, der inzwischen in Hamburg lebt und arbeitet. Jo84
 
Francois Bourgeon: Cyann - Tochter der Sterne # 2. Sechs Monde auf Ilo. 112 Sei-ten, Farbalbum, Softcover, 36 Mark. Carlsen.
 
In Band 1 brach Cyann vom Planeten Oth auf, um mit ihrer Mannschaft auf dem Planeten Ilo ein Heilmittel gegen das tödliche Purpurfieber zu finden, das die Männer in ihrer Heimat dahinrafft. Schon zu Beginn des zweiten Teils muß ihr Raumschiff notlanden; ein Teil der Besatzung kommt dabei um, der Rest wird in mehrere Gruppen aufgeteilt. Auf der Suche nach dem Heilmittel scheint es einen Verräter zu geben, und den Einheimischen kann man auch nicht immer trauen. Francois Bourgeon begibt sich mit seinem dritten Mammutwerk (nach „Reisende im Wind“ und „Gefährten der Dämmerung“) einmal nicht in historische Gefilde, sondern in die Zukunft. Einige Klischees sind deshalb genauso an der Tagesordnung wie auch innovative Ideen. Besonders gefallen haben mir die abgedrehten Frisuren seiner Protagonisten und die meisterhafte Darstellung verschiedenster Landschaften. Wie immer sind die Frauen die Hauptakteure seines Werks, denn Bourgeon interessiert sich auch für die erotische Seite seiner Heldinnen. So nervt in der ersten Hälfte des Albums das allgegenwärtige Anbandeln verschiedenster Paare, das der Story kaum dienlich ist. In der zweiten Hälfte des Albums kommt die Geschichte dann mehr zum Tragen, die noch eine überraschend hohe Komplexität erreicht. Nach anfänglicher Langeweile hat mir das Album als ganzes dann also doch noch gefallen. Man sollte jedoch unbedingt bei Band 1 beginnen, da dieser Zyklus dann geschlossen vorliegt. Jo84