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Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 50
Besprechungen



Axel Blotevogel / Marianne Wesche: Etels Welt. 44 Seiten, Farbkopien (!), 19.90 Mark. Axel Blotevogel, Schulstraße 35, 32427 Hille/Unterlübbe
 
Aus Minden kommen zwei Newcomer, von denen selbst ich als Mindener noch nie gehört habe. „Etels Welt“ ist tatsächlich eine sonderbare Welt, eine eigene, unerklärliche Welt. Ähnlich wie Schuiten und Peeters in ihren Städtezyklen entwerfen Axel und Marianne eine Welt, die weder physikalischen Gesetzen nach noch vom Aufbau oder Charakter her mit unsere eigenen Welt vergleichbar ist. Die gesamte Handlung spielt in der Wohnung Etels und in der Straße, in der diese sich befindet. Diese beiden Orte sind aber anders miteinander verbunden, als wir es so gewohnt sind. Durch Etels Badezimmerspiegel und Fernseher ist ein gegenseitiger Kontakt möglich. Die Lage spitzt sich zu, als Etels perfekte Klospülung eine seismische Störung hervorruft, die ein Dimensionsloch freilegt, welches Etel erstmals einen Blick auf die sagenumwobene Außenwelt erlaubt. Die Handlungsebenen treffen aufeinander, abstruse Geschehnisse nehmen ihren Lauf. Die Story ist eher depressiv und alptraumhaft. Aber auch der Humor kommt nicht zu kurz. Vor allem Fernsehwerbung und Konsumverhalten werden des öfteren auf die Schippe genommen. Die seltsamen Farben (lauter Blau-, Grau- und Violettöne, dafür fehlen Geld und Rot gänzlich) vermitteln eine kalte und unwirtliche Welt. Die mehr als komplizierte Handlung ist beim ersten Lesen kaum zu bewältigen. Bei wiederholtem Konsum erschließt sich Etels perfekt durchkonstruierte Welt dem Leser jedoch langsam. Axel und Marianne legen hier ihr Debüt vor, das für diese Verhältnisse gleich ein Meisterwerk ist. jo
 
Koma Komix # 14 und 15. 36 bzw. 40 Seiten, s/w, DIN A5 mit Farbcover, 2,50 Mark plus 1 Mark Porto. Weißblech Comics, An der Landstraße 5, 23758 Kükelühn
 
Die Jungs aus Kükelühn (ich wollte doch immer schon mal nachsehen, wo dieser denkwürdige Ort liegt) werden immer besser. „Koma Comix“ hat jetzt eine klare Heftstruktur - vorne die Hauptstory mit Quevis und Knülle, dann ein etwas experimenteller, mehr oder weniger komischer Füller, hinten eine Fortsetzungssaga, die locker an Marvels klassischen „Thor“ angelehnt ist. Die Leute wissen also jetzt, was sie wollen, und haben auch endlich die angemessene Form dafür gefunden. Quevis’ und Knülles Spielautomat-Bergung in Koma # 14 hat wirklich Comedy-Qualitäten, und der Party-Report in # 15 kommt jedenfalls schön chaotisch. „Jassis cooler Tag“, einer der Füller, ist zumindest gut beobachtet. Die Thor-Parodie fällt dagegen etwas ab, mindert aber den Unterhaltungswert kaum. Ästheten muß man vor der ziemlich siffigen Grafik warnen; mich hat die aber noch nie gestört. aa
 
Unangenehm # 4. 78 Seiten DIN A4, Farbumschlag, 7 Mark. Thomas Wittke, Kieler Straße 425, 22525 Hamburg
 
Unangenehm ist ein Hamburger Comicmagazin, hinter dem die Künstlergruppe „313“ (eine Reminiszenz an Donald Ducks Autokennzeichen) steht, die sich größtenteils aus Studenten des Fachbereichs Gestaltung der FH Hamburg zusammensetzt. Das Konzept des Heftes gibt immer ein Oberthema vor, zu dem die Künstler dann ihre Comics erstellen, die bunt gemischt aus dem Funnybereich kommen, ernster Natur, autobiografisch angehaucht oder völlig frei erfunden sind. Heft 4 bildet den Abschluß der Sex, Drugs + Rock’n’Roll-Trilogie, und zwar mit dem Oberthema Sex. Es geht allerdings eher um das breite Feld der Sexualität und nur vereinzelt um den Geschlechtsakt selbst. Fast 20 Zeichner beiderlei Geschlechts machen sich Gedanken zum Thema, und das Ergebnis ist wie immer sehr empfehlenswert. Die meisten Künstler gehen das Thema erstaunlich sensibel an und auch das Durchschnittsniveau der Zeichnungen liegt erwartungsgemäß (Gestaltungs-FH) sehr hoch. Ich denke, was man in einem Fanzine erreichen kann, erreicht Unangenehm eher als jedes andere Heft dieses Landes. jo
 
Rainer Baldermann: Tu doch was, du Arsch! 60 Seiten, s/w mit Farbcover und festem Rücken, DIN A5. 12 Mark. Verlag Sprühende Phantasie, Goebenstraße 37, 32423 Minden
 
Baldermann zeichnet krakelig, verzichtet auf Hintergründe, Schraffur und guten Geschmack. Getuscht wird eigentlich kaum und das Bildformat wird ignoriert. Die kleinen Geschichten und Cartoons sind zynisch, obszön und manchmal einfach nur böse. Baldermanns Humor ist brutal, zeigt die häßlichen Seiten der Menschen, und political correctness dient dem Autor höchstens als etwas, über das man sich hinwegsetzen sollte. Wer die Absurdität von Rattelschneck mag und über Reisers „Schweinepriester“ lachen kann, dem wird auch „Tu doch was, du Arsch!“ gefallenJede Epoche bekommt den Humor, den sie verdient hat. ml
 
Die Schweinevogel-Show # 3 bis 5. Je 32 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat, 7,90 Mark. Extrem Erfolgreich Enterprises, c/o Basement, Schulstraße 10, 04109 Leipzig
 
Nach dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung geisterten Zeichnungen eines Typen namens Schwarwel in den westdeutschen Fanzines herum; Magazine wie „Orgasm Death Gimmick“ oder „Messitsch“ entstanden unter seiner Schirmherrschaft und gingen auch leider wieder ein. Nur die Insiderszene um Berlin oder Leipzig durfte sich ab und zu einmal auf ein kleines Heftchen („Housers“-Zyklus) freuen. Nun ist Schwarwel mit mächtiger Verstärkung wieder da, und anscheinend wollen es alle verdammt noch mal wissen. Für das Heft „Schweinevogel-Show“ (Schweinevogel ist eine schon etwas ältere Figur von Schwarwel) wurde extra der neue Verlag „Extrem erfolgreich Enterprises“ gegründet, hinter dem sich niemand anders als einer der berühmtesten Doktoren Europas, Bela B., verbirgt. Schwarwel ist einer der wenigen deutschen Zeichner, die keine Fan- oder Amateurcomics, sondern Undergroundcomics im wahrsten Sinne des Wortes produzieren. Alles geht drunter und drüber, alles ist Chaos, aus dem heilloser Witz entsteht, an dem erwachsene Comicleser ihre diebische Freude haben können. Schweinevogel will sich nur eine Pizza machen und findet sich plötzlich auf einem Felsbrocken im Nichts wieder. Ein bärtiges Baby offenbart ihm dann, daß er die Welt retten muß, weil... Ja ja, so durchgeknallt wie die kurze Inhaltsangabe sind Story und Zeichnungen wirklich. jo
 
Kim Schmidt: Öde on the Road. 48 Seiten, DIN A4-Album, 16,80 Mark. Verlag Dan Dabey und Flying Kiwi
 
Nach hunderten von Veröffentlichungen in Zeitungen, Magazinen und mehreren eigenen Alben, liegt jetzt das erste durchgehend farbige Öde-Album vor. Dieses Werk, das aus einer 26seitigen Hauptstory und viel kürzerem Ergänzungsmaterial besteht, stellt das bisherige Masterpiece des Flensburger Zeichners dar. Es sind vor allem die unscheinbaren Details, oft erst nach mehrmaligem Hinschauen überhaupt sichtbar, die das Album zu einem Riesenspaß werden lassen. Neben vielen Anspielungen auf bekannte Menschen, Orte, Bands oder Begebenheiten sind es vor allem die abgedrehten Hintergründe. An der Fischbude raucht zum Beispiel ein lecker Fischmob eine Zigarette, aus einem Kohlfeld schaut der Kopf von Helmut, und der Friseurmeister heißt Herr Pottschnitt. Trotz dieser unzähligen Details ist die Story recht geradlinig: Es gibt Probleme im Landeshaus Kiel - der chinesische Wirtschaftsminister Gung Agingogoing hat sich angekündigt, um einen Milliardentransfer abzuziehen. Er ist jedoch für seinen Sinn für exquisite kulinarische Bewirtung bekannt. Woher einen guten Koch nehmen? Man engagiert Oma Kempel und ihren Begleiter Öde, die sich gleich auf den Weg machen, die Zutaten für einen guten „Schwarztopf“ zu besorgen. Dabei geraten sie in die abstrusesten Gegenden und Situationen. Vollprofi Kim Schmidt setzte alles schwungvoll in Szene, die eigene Colorierung ist stimmungsvoll und nicht zu grell. So ziemlich die höchste Punktzahl im Funnybereich. jo
 
Die Hirse # 14 bis 17. Je 16 Seiten, s/w DIN A 4, 2 Mark plus Porto. Michael Laabs, Pantaleonsmühlengasse 6, 50676 Köln
 
Da ist es also, das Comeback der „Hirse“ nach zwölf Jahren Pause. Pünktlich wie angekündigt schmeißt Michael Laabs gleich vier Ausgaben auf den Markt, die größtenteils noch mal die Highlights aus der Blütezeit 1984/85 verbraten. Da die heutzutage kein Mensch mehr kennt, kommen sie recht gut zusammen mit den wenigen neuen Seiten und Gags des Herausgebers. Wie damals bestreitet den Großteil der Ausgaben Laabs selbst unter neuen Pseudonymen wie Kowalski oder ML. Nur wenige Seiten bieten auch Nachdrucke von anderen Künstlern wie Kim Schmidt, Chris Knox oder H. D. Zenteck. Der Schwachsinnsgehalt in Michael Laabs’ Comics ist gewohnt hoch, und wenn er auch kein Zeichengott ist, ja, sich nicht einmal zeichnerisch weiterentwickelt hat, so reicht es doch immer zur Belustigung. jo
 
Aale # 1. 32 Seiten, farbig, Comicbookformat, 5 Mark. Michael Laabs, Pantaleonsmühlengasse 6, 50676 Köln.
 
Vor mehr als zehn Jahren eroberte ein kleines, durch eine Büroklammer zusammengehaltenes kopiertes Magazin mein Herz: „Die Hirse, den Dasein zun Trotz“ von Michael Laabs, der vor allem seine eigenen zeichnerischen und textlichen Ergüsse präsentierte. Jetzt ist er wieder da und ist ganz der Alte. Aale, so heißt das Heft, damit es im Comicpreiskatalog immer ganz vorne steht, präsentiert sich zwar im Amiformat mit Heftklammern und ganz in Farbe. Der Herausgeber hat seine Einstellung zum Comic aber kaum geändert. Schon die Farbgebung ist pure Anarchie. Billigere Filzstifte wird man wohl nirgends finden. Die Geschichten wurden größtenteils schon schwarz-weiß in der Hirse abgedruckt, aber laut Michael kennt sie außer mir kein Mensch. Das ist durchaus möglich, denn wie immer verkauft Michael das Heft per Hand in Läden und Kneipen. Als Verstärkung wurde übrigens Kim Schmidt engagiert, der sechs Seiten bewährten Öde-Humors beisteuert. Der restliche Humor geht auf Michaels Kappe: Erstaunlich tiefes Niveau wie immer, aber der Humorfaktor ist hoch, ein Brüller. jo
 
Beefy Bill # 3. 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Piccoloformat, 4,50 Mark. Comic Archiv Jürgen Metzger, Hamburger Straße 146, 90766 Fürth
 
Beefy Bill, der kleine Cowboy, der von einem Spucknapf in eine andere Dimension geschleudert wurde, soll den Planeten retten, auf dem durch diesen Spucknapf immer weitere Helden aus allen möglichen Zeiten und Gegenden ankommen. Das Saftnasengeschwader bedroht Bill und seine Freunde. Letzter Ausweg scheint ein Dimensionsloch zu sein. Die Partylaune, in der dieser Jamcomic entstand, sieht man dem Werk an. Jo 84 textete diesen Teil, den Zeichenstift schwangen Isabell Kreitz, Hanspeter Ludwig, Haggi, Holger Bommer, Jo 84 sowie Stefan und Mathias Dinter. Das Heft ist der obskure Höhepunkt einer seltsamen Reihe, die ein unscheinbares kleines Juwel an Absurditäten und intelligentem Schwachsinn ist. jo
 
Menschenblut # 26 und 27. 44 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat, 6,80 Mark. Eisenfresser Comix, Postfach 1141, 36094 Petersberg
 
Nach etlichen Auftritten in Menschenblut liefern Robi (Rochus Hahn) und Geier (Jürgen Speh) nun endlich die lange überfällige Entstehungsgeschichte des durchgeknallten Dr. Dipperz ab, die das Verständnis der bisherigen Geschichten durchaus in einem sinnvolleren Licht erscheinen läßt. Das Heft ist ein absolutes Highlight, obwohl eigentlich jedes Heft der vergangenen zwei Jahre ein Highlight war und sich die Inhalte ständig steigern. Ebenso bei dieser Geschichte, die menschenblutmäßig recht düster und brutal, aber auf seltsame Weise ebenso tragisch und poetisch erscheint. Die Story in wenigen Worten nachzuerzählen, erspare ich mir. Ich möchte aber nicht versäumen, sie zu empfehlen, da sie sowohl zeichnerisch als auch textlich so gut wie perfekt ist. Aber Insider wissen sowieso, daß ein Menschenblut-Abo für ernsthafte Comicfans einfach Pflicht ist. jo
Zugegeben, die # 26 ist bei fast allen Leserbriefschreibern hervorragend angekommen. Andere Leser dürften trotzdem erleichtert sein, daß Menschenblut mit # 27 wieder zu gewohnten Verhältnissen zurückkehrt. Vier Beiträge zwischen Burleske und grimmiger Farce von Bimi, Heinz Helbling, Toni Greis und dem Team Bernd Frenz und Frank Schmolke garantieren irritationsfreies Lesevergnügen. aa
 
Zebra Sonderheft # 3. 16 Seiten, s/w, Comicbookformat. Georg K. Berres, Giselherstraße 19, 50739 Köln
 
Regelmäßige Zebra-Leser werden der Geschichte ansehen, daß sie schon etwas älteren Datums ist. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Sonderheftchen um einen Nachdruck des Anniversary-Giveaways „Fast ein poetisches Abenteuer“ von 1981. „Der vollkommene Augenblick“, wie es jetzt heißt, ist wirklich ziemlich poetisch geworden. Das Frühwerk von Rudolph Perez ist zwar alles in allem recht schön, in DIN A 5-Format wäre es aber besser aufgehoben gewesen. Das Heft ist leider mehr als schnell durchgelesen. Egal, trotzdem gut. jo
 
Strapazin # 46 und 47. Je 84 Seiten, teilweise farbig, DIN A 4, 10 Mark. Meiler Verlag, Gollierstraße 47, 80339 München
 
Die # 46 kommt für Gegner der teilweise für Strapazin typischen Krakelkunst („anspruchsvoll, ey“) angenehm bodenständig daher. Neben einem großen redaktionellen Teil liegt ein Schwerpunkt auf dem italienischen Pulp-Zeichner Magnus, der 1996 im Alter von 56 Jahren starb und dessen Arbeiten das Comicpublikum zeit seines Lebens in zwei Lager spaltete. Auch der Comic „Die Formel des Lebens“ nach einem Text von Max Bunker kommt stellvertretend für Magnus’ erfolgreichste Schaffensperiode zum Abdruck. Mit 30 Seiten macht dieser Comic den Löwenanteil des Heftes aus, das durch kürzere Stories von David Mazzuchelli, Ursula Fürst, Vincent Sardon und Strips und Einseiter diverser Künstler abgerundet wird. - „80 Seiten Sex-Comics“ lautet der Untertitel des neuesten Strapazin. Es geht in fast allen Comics um tatsächlich eher pornografische Geschichten. Von der Vielzahl der Zeichner, die sich an diesem Themenschwerpunkt beteiligen, dürften die bekanntesten Daniel Clowes, Julie Doucet, Alex McCartney und Vittorio Giardino sein. Neben den Genannten gefielen mir vor allem die Beiträge von Badoux/Schuler, Stéphane Blanquet und das obskure Machwerk „Die Nudisten-Nonnen der Ziegeninsel“ von Mack White. jo
 
Talon # 7 bis 9. 36 Seiten, s/w mit Farbcover, Piccoloformat, 5 Mark. Verlag Peter Hopf, Bückeburger Straße 15, 32469 Petershagen
 
Ein ambitionierter Versuch, eine Actionserie zu etablieren, dem man die Anstrengung deutlich anmerkt. Die Regeln des Abenteuergenres werden befolgt, aber nicht verstanden. So tappt Thomas Knip immer wieder in die Falle des hohlen Pathos, was der Spannung sehr abträglich ist. Jo 84 gibt dem Ganzen als Inker eine sehr elegante Form, weshalb man in die Reihe ruhig mal reinschauen kann. aa
 
Talon # 0. Dämmerung. 16 Seiten, s/w mit Farbcover, Comicbookformat, 12,80 Mark. Peter Hopf, Bückeburger Straße 15, 32469 Petershagen
 
Hier kommt die Originstory des Dschungelhelden von Thomas Knip. Abonnenten der bisher neun Piccolohefte bekommen erhalten die Ausgabe gratis. Alle, die erst in die Großbandreihe einsteigen wollen, die mit der dreiteiligen Miniserie „Deadly Seasons“ fortgesetzt wird, müssen das Heft kaufen. Dämmerung“ beginnt mit Profikiller Talon, der einen Auftrag abbrechen muß. Seine Auftraggeber, so erfährt der Leser, haben Talons Gedächtnis manipuliert. Als er das erkennt, wehrt er sich gegen seine Peiniger. Die Maschine, in der alle sitzen, stürzt in den Dschungel. Textlich ist die Nullnummer recht geschickt aufgebaut, da sie mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Zeichnerisch ist das Heft schwierig zu beschreiben. Knip besitzt ohne Zweifel einen außerordentlich selbständigen Zeichenstil und tuscht seine Scribbles recht eigenwillig. Den Zeitdruck, unter dem das Heft entstand, sieht man ihm jedoch an manchen Stellen an. Denn manche Zeichnungen sind einfach perfekt, andere wiederum enthalten grobe anatomische Mängel. Thomas Knip sollte mehr darauf achten, diese Mängel zu vermeiden. Dann wird Talon sicher ein Erfolg. jo
 
Die Kreuzritter # 1 bis 3. Je 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Piccoloformat, 5 Mark. Peter Hopf, Bückeburger Straße 15, 32469 Petershagen
 
Zeitgleich mit der Talon-Nullnummer erscheint der erste Satz Piccolos der neuen Reihe von Klaus Grobys. Er wurde vor allem durch seine Serien „Björn der Wikinger“, „Boa, Sohn der Sümpfe“ und „Captain Cody“ bekannt, bevor er seine jüngste Serie „Störtebeker“ lancierte, die ebenfalls bei Hopf-Comics fortgeführt werden soll. „Die Kreuzritter“ beginnen eher gemächlich mit einer Charaktereinführung. Im Jahr 1095 wurden auch die Ärmsten der Armen von der Kirche dazu überredet, in den sogenannten Bauernkreuzzug zu ziehen. Viel Spannung ist hier noch nicht zu verzeichnen. Aber Klaus Grobys setzt die Handlung routiniert in Szene. Als Bonus wird im Vorwort noch leichtfüßig etwas Geschichte vermittelt. Wenn die Story noch ein bißchen mitreißender wird, kann sich „Die Kreuzritter“ zu einer schönen Piccoloserie entwickeln. jo
 
Laura # 1 bis 3. Je 36 Seiten, s/w mit Farb-cover, Piccoloformat. 5 Mark. Junker Hans von Dörnberg. 34 Seiten, s/w mit gelbem Cover, Piccolo-Überformat. Chatten-Vertrieb, Hans-Erich Dingel, Am Schalkert 2, 35279 Neustadt/Hessen
 
Hans-Erich Dingel, der Autor von „Laura“, kommt aus Mittelhessen, der Zeichner Gerhard Schreppel aus Thüringen. Sie korrespondieren nur brieflich und haben sich noch nie gesehen. Trotz der ungünstigen Produktionsbedingungen harminieren sie sehr gut. Die Serie spielt in der Zeit, als die Römer versuchten, ihr Reich nach Germanien auszudehnen. Die historischen Details scheinen sorgfältig recherchiert zu sein. Dingel benutzt sie allerdings als Folie für eine recht kolportagehafte Dreiecksgeschichte. Ähnliches gilt für Schreppel: Er zeichnet für das beschränkte Piccoloformat erstaunlich detailreich, schwungvoll und in einem pointierten Realismus. Die großbusigen Frauen und holzschnittartigen Gesichter mindern das Vergnügen jedoch etwas. „Laura“ ist ein sehr eigenständiges Projekt, das Qualitätsniveau für das Format recht hoch. „Junker Hans“ ist eine Dreingabe, vom selben Team eigens für die jüngste Marburger Comicbörse im April produziert. Es handelt sich um die Umsetzung einer mittelalterlichen Sage aus Neustadt. Die Teufelspakt-Anekdote beweist, daß Dingel und Schreppel mehr draufhaben als kruden Realismus. aa
 
Markus „Mawil“ Witzel: Super Lumpi # 2. 32 Seiten, s/w, DIN A 5. Markus Witzel, Torstraße 190, 10115 Berlin
 
Mawil legt nach gar nicht allzu langer Wartezeit Super Lumpi # 2 vor. Sein Alter Ego füllt das Heft wieder einmal mit alltäglichen Nichtigkeiten des Lebens, die manchmal witzig sind und manchmal einfach nur alltäglich. Zeichnerisch ist alles treffsicher auf den Punkt gebracht, wenngleich ich selbst die Grauschleier weglassen würde. Gute Neuerscheinung. jo
 
Flirren, Schwirren, Wirren. 68 Seiten,  Farbumschlag, Comicbookformat, 5 Mark. Emu Graphics, Andreas Niemeyer, Am Pleidenturm 13, 97070 Würzburg
 
Geil - „Flirren Schwirren Wirren“, die Titelgeschichte von Loppe hinterläßt beim Leser eben genau das. Hätte Kafka Comics gezeichnet, hätten sie wahrscheinlich so ausgesehen. In seinen sehr ausdrucksstarken Bildern beschränkt sich Loppe auf das Wesentliche. Schwarz wird sehr flächig eingesetzt, auf Schraffur gänzlich verzichtet. Die dunklen Bilder transportieren die sich im Laufe der Handlung allmählich entwirrende Handlung perfekt. Gedankenspiele, halluzinogene Momentaufnahmen, Generationenkonflikt und Konsumkritik werden in Fragmenten aneinander gereiht und verdichten sich zu einem Ganzen. Zum Inhalt der Story möchte ich nichts schreiben. Kauft Euch lieber das Heft. Nur so viel vielleicht: Das Ende ist offen, und die Frage nach dem Rauschen des Alls bleibt unbeantwortet. Ganz anders die Beiträge von Wenzl. Walter ist mit schwungvollem Pinsel (?) gezeichnet. Die Titelfigur agiert und kommentiert in Alltagssituationen und erzählt. Walter versucht, die Situation oder auch die Welt zu begreifen, kollidiert aber immer wieder mit der Unzulänglichkeit der eigenen Person. „Die Kuppel“, ebenfalls von Wenzl, ist mehr Bildgeschichte als Comic und beschreibt den historischen Bau einer (Kirchen-)Kuppel. Die Geschichte ist gut erzählt. Schade, daß die stärksten Linien die Rahmen der Panels sind. Auch wenn es der Geschichte ein etwas ernsteres Ambiente schafft, lenkt es doch von den guten Zeichnungen ab. Die letzte Geschichte, wiederum von Loppe, beschreibt die Gefühle eines Menschen, der in einer neuen Umgebung ist und diese sehr sensibel und unvoreingenommen in sich aufnimmt. Nebensächlichkeiten werden zu markanten Orientierungspunkten. ml
 
Satisfiction. 64 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Albumformat, 10 Mark. Edition Fiction-Art, Lutz Buchholz, Buchenweg 23, 56579 Rengsdorf
 
Langjährige Comicfans werden sich noch an Herausgeber Lutz Buchholz erinnern. Der Fantasy-Fan veröffentlichte bereits 1982 im Lubu-Verlag den abgedrehten Fantasycomic „Cosmic“, der damals voll farbig für Furore sorgte. Dann war fast 15 Jahre lang Funkstille. Den neueren Sachen sieht man im Vergleich zur alten Perfektion den Bruch etwas an. Schade, daß Lutz das Zeichnen nach eigenen Worten sogar weitestgehend aufgegeben hat und nur noch für das Magazin „Comic-Herold“ tätig sein will. Die 46 Illustrationen aus den Jahren 1985 bis 1994 zeigen jedenfalls viel Können. Ergänzt wird der Band durch Einzelillus von Udo Linke, Fabian Fröhlich, Malte Schulz-Sembten und Peter Puck. Vor allem von letzterem dürfte die Fantasy-Grafik als interessanter Aspekt in seiner zeichnerischen Laufbahn gewertet werden. jo
 
cOMIc # 29. 28 Seiten, s/w, nur im Tausch gegen Beiträge oder andere Fanzines bei Gerd Bonau, Kieler Chaussee 35, 24214 Kiel
 
Noch ein paar Jahre, dann wird die Nummernzahl von Omi die des regulären Fanzine-Flaggschiffs PLOP überrundet haben. Denn das sogenannte Mini-Fanzine ist mit einer Auflage von 85 Heften mittlerweile schon bei Nummer 29 angelangt. Omi ist wohl das größte Fanzine der kleinsten. Mit „kleinsten“ meine ich nicht schlecht oder unprofessionell, sondern unspektakulär. Seltsame Beiträge kürzerer Art mit oft abstrus wirkendem Schluß machen die Mischung natürlich noch seltsamer. Omi ist vor allem was für Insider, die sich auch für den absoluten Underground interessieren, und wer hier nicht viel erwartet, wird belohnt mit Material von Manfred Lafrentz, Ulrich Magin, Anja & Joy, Oliver Ferreira und anderen. jo
 
Kreativo! # 19 und 20. 28 Seiten, s/w, DIN A5. 1 Mark plus 1,50 Mark Porto. Kreativo Projekt, Birke, Postfach 2022, 58470 Lüdenscheid
 
Vor einigen Jahren habe ich eine Kladde angelegt, in der ich Gedanken, die mir so durch den Kopf gingen, notiert und Funde aus Zeitungen, Büchern und ähnlichem eingeklebt habe. Vorher hatte ich immer gedacht, daß mir Unmengen guter Ideen durch die Lappen gehen, weil ich sie nach einiger Zeit wieder vergesse. Jetzt sehe ich, was für fruchtlose Dinge mich schon beschäftigt haben. Wenn ich das Heft veröffentlichen würde, sähe es vielleicht so ähnlich wie Kreativo aus. Birke aus Lüdenscheid tut genau das: Sie und ihre sporadischen Mitarbeiter kümmern sich um keinerlei Leserbedürfnisse, sondern tragen eine seltsame Sammlung von Texten und Bildern zusammen, die sie selbst interessieren. Das sind auch nicht alles aphoristische Perlen, aber Kreativo ist so spannend wie ein Blick in ein Tagebuch. aa
 
Stefan, Mathias und Jan Dinter: Knurf. Spezial-Jahresausgabe mit Bonusseiten # 34 (Mai 1997). Comicheftformat, kleiner als US-Norm, 9 Mark. Zwerchfell Verlag
 
Eine neue Botschaft aus jener seltsamen Parallelwelt, in der Christan Heesch offenbar 40 Jahre früher ins Comicbusiness einstieg und in dem heutzutage sein Enkel Tim Heesch jr. ein Imperium von Zwerchfelltiteln herausgibt. Dieses Zwerchfell-Universum wirkt wie eine ulkige Kreuzung aus Marvel/DC und dem, was vielleicht herauskäme, wenn der Lehning-Verlag mit seinen Abenteuerreihen nicht in den frühen 70ern kläglich aufgegeben hätte. Kostproben davon erhalten wir immer auf den (fiktiven) Verlagswerbungs- und Leserbriefseiten. Da gibt es (angeblich) Titel wie „Gruppe Z“, „Rongk, der furchtlose U-Boot-Fahrer“, „Starkmann Familie“ und „Captain Ibiza“, aber auch „Ciabatta, das härteste Brötchen des Westens“ oder „Schlicht der Amishjunge“. Die Jahresausgabe (eine Anspielung auf das US-Annual-Format; die bessere Übersetzung wäre „Sonderheft“ gewesen) ist genau ein Jahr später angesetzt als Knurf # 400, das erste Zeugnis dieses bizarren Paralleluniversums (siehe PLOP # 47). Diesmal hat es Knurf, der Herr der Nilpferde und Dschungelheld vom „Mount O’Puchlich“, mit einem Klaus Kinski ähnlichen Schurken zu tun, der eine Müllverwertungsrakete über seinem Dschungel abschießen will und dabei von Legionen von biertrinkenden Bayern unterstützt wird sowie vom kleinen eitlen „Moos-Hamma“ (eine der besten Karikaturen in dieser Ausgabe). Klar, daß Knurf die Bayern reihenweise zu Klump schlägt, unterstützt vom „Kommando Bimberle“, einer schwäbisch sprechenden US-Einheit, die zahlreiche Par-allelen zu DCs „Sergeant Rock“ aufweist und die es gemäß Verlagswerbung immerhin auf bereits 218 Ausgaben ihres Titels gebracht hat. Viel Prügelhumor, der oft an Splatter grenzt und somit die verharmlosten Schlägereien von Wäscher oder Popeye durchaus berechtigt persifliert, auch diesmal von „eßbaren Soundwords“ untermalt: Es macht „Mett-ett-ett!“, „Pez!“, „Shrimp!“ oder sogar „Quicchhe!“ Ein wenig abträglich ist die große Zahl von Figuren, so daß sich Sergeant Bimberles Mannen hauptsächlich dadurch charakterisieren, daß sie unterschiedlich groß sind und Knurfs Sidekick „Hey“ (eigentlich Gysbert Wilms-Söderbeck) in einem Sidejoke abgeschoben wird. Etwas ermüdend fand ich die Praxis, wieder einzelne Seiten von Gastzeichnern betreuen zu lassen, was den Stil immer schwächt, ebenso die Gastauftritte von Bekannten der Zeichner, die nicht als Gag, sondern nur als Irritierung durchkommen (Horstmann? Josic?); ebenso den Dialekt. Kannsse dich voastelln, so zwannich Saitn Ruagebietsplatt zu lesn? So eenlich nett is schweebisch, wennse das nich’ kenns, ne? Voll im Trend und doch nostalgisch ist das Heftflair mit Leserbriefen und Verlagswerbung sowie den netten Sonderseiten über den erloschenen Vulkan, in dem Knurf wohnt, oder die Boeing 737, die ihm als Hauptquartier dient. Schön bleibt weiterhin die Vorstellung, es gäbe so einen lebendigen Verlag mit langlebigen, amüsanten, aber auch verläßlichen Eigenproduktionen. Herod
 
P.L.G. # 32. 84 Seiten, s/w mit Farbteil, DIN A4-Album. 60 FF. P.L.G., BP 94, 92123 Montrouge Cedex, France
 
Alles wesentliche über dieses französische Fanzine, das fast jedes deutsche Magazin - „Comic Speedline“ und „Comixene“ eingeschlossen - mühelos in die Tasche steckt, hat Jo schon in PLOP # 49 mitgeteilt. Obwohl meine Französischkenntnisse äußerst limitiert sind, kann ich also auf die neueste Ausgabe hinweisen, die sich schwerpunktmäßig mit den Zeichnern Bezian und Ferrandez beschäftigt (auch in Deutschland durch Albenveröffentlichungen bekannt). Es gibt auch wieder etliche hier noch völlig unbekannte Künstler zu entdecken. Sehr wertvoll ist außerdem der 16seitige Rezensionsteil, in dem auch „nicht frankophone Fanzines“ ausführlich berücksichtigt werden. aa
 
Leopold Maurer: Eine Kuh und mehr, Teil zwei. 60 Seiten, s/w mit violettem Cover, DIN A 5. Edition Mixer, Leopold Maurer, Hauptstraße 8, A-2454 Trautmannsdorf
 
Ein Comic, der über eine Distanz von rund 70 Seiten geht (Teil 1 haben wir in PLOP # 48 besprochen), nötigt von vorneherein Respekt ab. Das epische Format ist natürlich nur zu schaffen, wenn man die Story munter Haken schlagen läßt. Aber sie fällt nicht auseinander, bleibt immer spannend - ein skurriles Roadmovie. Die gewollt krakeligen, manchmal künstlerisch abstrahierten Zeichungen finde ich sympathisch. aa
 
Pas-Califax # 5. 24 Seiten, s/w DIN A 5. Pascalifax, Dittersdorfer Straße 146c, 09122 Chemnitz
 
Diese Veröffentlichung flatterte uns zur ICOM-Fanzinepreisverleihung auf den Tisch. Es handelt sich mehr um ein Spiel- und Bastelheft als um einen Comic oder ein Comicmagazin. In der Heftmitte gibt es unter anderem einen Bogen mit acht Spielkarten. Die Abrafaxe und die Digedags, die alten und die neuen Helden des Comicmagazins „Mosaik“, tauchen in Fancomics und Collagen auf. Hinzu kommt ein Bericht über die erste Chemnitzer „Mosaik“-Börse und eine Materialsammlung von Comicfiguren als Werbeträger. Das Heft kann man nicht guten Gewissens zum Kauf empfehlen, aber liebenswert fand ich’s schon. aa
 
Mosaiker. Info-Blatt des Mosaik-Clubs Apolda # 24 (Juni 1997). 36 Seiten, farbig, Comicbookformat. Mosaik-Club Apolda, PSF 7, 99501 Apolda
 
Die ostdeutschen Comicfans, die bis 1989 mit Comickultur wirklich nicht verwöhnt worden sind, können’s aber auch ganz professionell. Der „Mosaiker“ ist ein absolut kiosktaugliches Magazin, produziert vom Mosaik-Club Apolda, mit dem ich vor mehr als einem Jahr mal Kontakt aufgenommen habe (siehe PLOP # 48). Vielleicht liegt’s ja an ihrem super-aufwendigen Magazin, daß die Apoldaer erst jetzt Zeit gefunden haben, mir zu antworten. Aber das Warten hat sich gelohnt. Klar ist: Wer „Mosaik“ nicht mag, wird auch dem „Mosaiker“ nicht viel abgewinnen können. Zuerst gibt es einen langen Bericht über die „Mosaik“-Modellbauer, dann einen Abrafaxe-Comic von Ulf Schmidt, der den Profis in der Berliner Lindenallee beinahe das Wasser reichen kann. Und dann folgt ein Comic von Ulf Graupner, der tatsächlich zum „Mosaik“-Team gehört und der hier mit „Das alte Kind“ einmal etwas ausprobieren kann, was nicht unbedingt ins „Mosaik“ paßt. Schließlich ein paar Seiten Briefe und Club-Internes, und mit dem von Dino losgetretenen Heftchen-Boom beschäftigt man sich auch am Rande. Der „Mosaiker“ hat mich davon überzeugt, daß die „Mosaik“-Tradition erhalten beiben sollte, und das nicht nur in den neuen Bundesländern. aa
 
Sprühende Phantasie # 16. 48 Seiten, s/w mit Farbcover, gelumbeckt, 7 Mark. Verlag Sprühende Phantasie, Goebenstraße 37, 32423 Minden
 
Bei Jo Guhde bleibt (fast) alles beim alten: die Klagen über schlechte Verkaufszahlen und glücklicherweise ebenfalls die unendlich sorgfältige Zusammenstellung des Hefts. Im Interview wird der Würzburger Robert Wenzl vorgestellt. Neben seinen Beiträgen fielen mir besonders „Spasti“ von Stefan Dinter, der Versuch, die Welt aus dem Blickwinkel eines geistig Behinderten zu sehen, und Mark Patersons/Fido El Odifs „Bäumisches“, eine schräge Parabel über die Auslöschung eines Stadtbaums, auf. Jeder Comic erscheint in „Sprühende Phantasie“ aber besonders kostbar. Man hat immer den Eindruck, daß Jo nur dann eine Seite opfert, wenn er darauf etwas wirklich Außergewöhnliches oder Kunstvolles drucken kann. Irgendwelcher Gimmicks auf dem Cover hat er sich diesmal enthalten, was ich nicht bedaure. aa
 
Wacka Wacka Zine # 2. 32 Seiten, s/w mit Farb-cover, DIN A 5, 5 Mark plus 1 Mark Porto. Guido Kawczynski, Kemnitzer Hauptstraße 26, 14943 Nuthe-Urstromtal/Kemnitz.
 
„Schon diese Ausgabe unterscheidet sich von der ersten so stark, daß wahrscheinlich noch mehr Veränderungen ins Haus stehen“, warnt der Herausgeber schon mal vorsorglich im Nachwort. Nicht zu Unrecht. Comics, Computertips, Plattenkritiken, eine Buchbesprechung, Fanzinerezensionen, eine Kurzreportage aus Zentralasien und eine Anzeigenparodie (neben ein paar echten) fand ich in diesem Heft. Guido Kawczynski hat ganz offensichtlich einen weiten geistigen Horizont, schreibt und zeichnet zwar das meiste selbst, verlangt aber nachdrücklich nach mehr Gastbeiträgen. Obwohl das Magazin keine erkennbare Konzeptlinie zeigt, hab’ ich’s gern gelesen. aa
 
Tote Helden Comix # 7 (Juni 1997). 28 Seiten, s/w, DIN A 5, 4 Mark. Tote Helden Comix, Ludenberger Straße 31, 40629 Düsseldorf
 
Schön, daß Bia Biafra nach drei Jahren weitermacht und in den nächsten zwölf Monaten drei weitere Ausgaben herausbringen will. Obwohl man gleich sieht, daß er Tardi und Pratt sehr verpflichtet ist, sind die „Toten Helden“ so eigenständig, daß man sich gar nicht vorstellen kann, daß es bald eine Ausgabe mit Comics von Haggi, Dirk und Dieter Tonn, Bernd Stein und Ingo Strecker geben soll. Typisch Bia ist auch der ewige Freiheitskampf seiner Helden gegen faschistoide, militaristische Arschlöcher. Kein Wunder: Beide Episoden in diesem Heft spielen in der selben schaurig-schönen Zukunftswelt wie immer, der Neutralen Zone, die mir ein bißchen wie in John Carpenters „Escape from New York“ vorkommt. Bei Bia gibt’s freilich keine schwachen Remakes - bisher jedenfalls. aa
 
Holger Bommer / Jo 84: Kurt Adventures # 1. 24 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, Comicbookformat, 5,90 Mark. Amigo Comics, Softcoveralbum, 16,90 Mark. Carlsen Comics
 
Post, mit der man nicht rechnet, die dann auch noch einen Schwung nette Comics enthält - viel besser kann ein Tag eigentlich nicht beginnen (zumindest wenn man allein aufwacht). Den meisten PLOP-Lesern dürften die Namen der beiden „Kurt“-Macher bekannt sein, ebenso wie Kurt selbst. Kurt ist hilfsbereit und tierlieb, seine Welt hätte ihren Platz zwischen dem Musikantenstadl und der Zahnpastareklame. Sie wäre beschaulich und hätte ihre klaren Grenzen. Leider lebt Kurt aber in den 90ern, und so versucht er, immer mehr Objekt als Subjekt, den Widrigkeiten des Alltags zu trotzen. Er hinterfragt nicht, sondern wundert sich nur. Seiner verrohten Umgebung begegnet er mit einer bewundernswerten Ruhe, teils mit Ignoranz. „Seltsam, seltsam“ ist Haupt- und Grundaussage von Kurt, der sich irgendwo im Graubereich zwischen Nihilismus und Autismus bewegt. Die Zeichnungen sind einfach, klar und gut. ml
 
Ralph Ruthe: Schweinskram. 52  Seiten, farbig, Album-Überformat, Softcover, 19,80 Mark. Verlag Boiselle/Löhmann.
 
Der Bielefelder Comiczeichner Ralph Ruthe dürfte vor allem Lesern der Comic Speedline wegen seiner Stripreihe „Die Frühreifen“ ein Begriff sein. Der Funnyfan, der außerdem regelmäßig an der Gestaltung des Volksbank-Umsonstkundenhefts „Mike der Taschengeldexperte“ mitarbeitet, legt mit „Schweinskram“ sein erstes Farbalbum vor. Wie der Titel vermuten läßt, geht es um sexuelle Themen - ausschließlich im Tierreich angesiedelt. Und das Sexualleben im Tierreich gibt genug Ideen her, von denen Ruthe etwa 50 in einseitigen Cartoons oder Comics gekonnt und spritzig (ähem) in Szene setzt. Am Zeichenstil gibt’s nichts zu meckern, und auch die Gags reichen von harmlos nett bis ganz schön deftig. Wenn das Album nicht hundertprozentig zünden will, so liegt das an dem schlecht gewählten Format, das die Zeichnungen aufgebläht wirken läßt. Zwar haben Dirk Schulz und Delia Wüllner (Indigo, Parasiten, Chic + Chloe /Splitter) die Seiten superprofessionell computercoloriert. Ein kleineres Format hätte dem Erscheinungsbild trotzdem besser getan. Vielleicht hätte man dann auch den Preis senken können, denn für 19,80 Mark ist der Band doch arg schnell durchgelesen. jo
 
Klaus Cornfield: Kranke Comics  # 1. 30  Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5, 6 Mark. Fou-Fou + Haha-Verlag, Postfach 910513, 90263 Nürnberg
 
Möglicherweise hat der „Throw That Beat“-Sänger Klaus Cornfield sein Sonnenscheinimage satt. Jedenfalls war die Lektüre der Erstausgabe seines Hefts „Kranke Comics“ die Entdeckung des Hamburger Salons, und nicht nur für mich eine Offenbarung. Der Name ist jedenfalls Programm und sogar noch untertrieben. Das Heft bietet so ziemlich das Krasseste, was man überhaupt im Comicbereich machen kann. Hier wird ohne Ende rumgehurt, sich vollgekotzt, Köpfe werden abgerissen, Frauen vergewaltigt und ermordet, und der Tag ist mehr als einmal unangenehm. Sicher ist das Heft das widerlichste, frauenfeindlichste und politisch unkorrekteste, das mir je unter die Augen gekommen ist. Aber gleichzeitig ist es auch das überzogenste, und weil es so maßlos überzogen ist, ist es auch mit Abstand das lustigste. Sollen sich die Emanzen doch beschweren; wer solche Sachen ernst nimmt, hat den Schaden, den er durch den Konsum solcher Comics befürchtet, sowieso schon lange selbst. Im übrigen ist Klaus Cornfield nicht nur der lustigste, sondern auch einer der nettesten Zeichner, die man so treffen kann. jo
 
Teer: Klinik. Wahre Seiten für harte Zeiten II. 20 Seiten, DIN A 5, 2,50 Mark und 24 Seiten, DIN A 4. Teer, Kippingstraße 16, 20144 Hamburg.
 
Im Vorwort bezeichnet Teer die Erstnummer von „Klinik“ als „Heftchen, gemacht zur Aufrechterhaltung von Low-Press-Kultur und als Sprachorgan der Unzufriedenen und ewig Zahlungsunfähigen, Heimat für Leute mit Höhenangst und Stütze für diejenigen, die nicht wirklich glauben, daß der Fortschritt ihnen weiterhelfen kann. Die am Ende überhaupt nichts wirklich glauben, die immer alles in Zweifel ziehen und bei sich selbst dabei anfangen.“ Ähnlich agieren auch die Hauptfiguren des Comics „Klagelied“. Sie denken über ihre Depressionen nach und erkennen, daß sie die Welt ähnlich sehen. Alles ist schrecklich, und der Zeichenstil vermittelt dieses Gefühl perfekt. Viele werden das Jammern der Frauen nicht nachvollziehen können, aber einige wenige könnten durch „Klinik“ merken, daß es viele Menschen wie sie gibt. Neben „Klinik“ gibt es bei Teer auch noch das vorliegende DIN A 4-Magazin. Zwischen der ersten und zweiten Ausgabe liegen eineinhalb Jahre. Gegenüber „Klinik“ ist schon eine zeichnerische Weiterentwicklung festzustellen. Von einem sehr krakelig getuschten Stil entwickeln sich Teer Zeichnungenzu wesentlich sauberer getuschten Ausarbeitungen, und trotz der Formatvergrößerung wirkt das Heft nicht so großflächig wie „Klinik“. Ich mag beide Stile sehr gern, obwohl sie eine völlig unterschiedliche Wirkung erzielen. Textlich ist auch „Wahre Seiten“ typisch Teer. Depressionen und fiktive Gedankengänge bestimmen das Heft. Insgesamt finde ich es ziemlich klasse. jo
 
Ilsemann
# 8. 36 Seiten, s/w mit farbigem Glanzcover, Comicbookformat, kostenlos. Karicartoon Verlag, Fössestraße 12, 30451 Hannover
 
Begeistert hat mich beim Comicfestival in Hamburg, daß tatsächlich eine Ähnlichkeit zwischen dem Herausgeber und der Figur über dem Ilsemann-Schriftzug festzustellen war. Begeistert bin ich auch vom Ilsemann selbst. Das Layout ist professionell, und die Beiträge (Oliver Sasse, Kim Schmidt, Bernd Teuber, Boris Schütz, Ralf Fieseler und Karsten Schley) sind gewohnt gut. Die beiden längeren Beiträge kommen von Gregor M. Hoffmann (7 Seiten) und von Jörn Krug. Krug eröffnet das Heft mit einer vierseitigen Geschichte, die auf eine Ende 97 im Karicartoon-Verlag erscheinende Mini-Serie neugierig machen will. Das funktioniert auch. Die Zeichnungen bewegen sich irgendwo zwischen Marvel, DC und Image. Karacho Girl, die sexy Hauptfigur der „Cool Patrol“ entfernt sich gleich auf dem ersten Bild von „Zyklitis“ ihren Tampon. Brutalität gegenüber dem Macho-Muskel-Gegner wird mit Menstruationsbeschwerden entschuldigt. Cool Patrol ist die deutsche parodistische Antwort auf Ami-Serien wie Glory oder Wildcats - prima! „Liebe und Hiebe“ von Gregor M. Hoffmann hingegen scheint mir ein bißchen blaß. Etwas mehr Tusche und etwas weniger Text hätten der Agentenstory sicher gut getan. Vielleicht ist das Format aber auch einfach nur zu klein. Das ist schade, denn Gregor beherrscht seine Figuren und hat viele witzige Einfälle. ml
 
Plattform # 5 (1/97). 28 Seiten plus farbiges Mittelseitenposter, s/w, DIN A5, kostenlos. Plattform, Wilhelmshafener Straße 17, 24105 Kiel oder Wiedenkamp 6, 24107 Quarnbeck
 
Das Kieler Umsonst-Magazin mischt nach wie vor Comics, Gedichte und Texte aller Art. Dieser Gemischtwarenladen ist immer für Entdeckungen gut. Wenn ich mich mal auf die Comics beschränke: Marco Lenschs „Ratschläge“ macht aus einer ertrunkenen Kakerlake eine kleine Geschichte. „Da ich so empfindsam bin, seid ihr alle Arschlöcher“ von einem unbekannten Zeichner läuft zwar wirklich so, wie der Titel klingt, aber die Zeichnungen aus einer Fußgängerzone sind überraschend dicht und eigenständig. In der Mitte findet sich wieder eine Farbkopie, eine von der Sorte, die im Grafik-Handbuch abgedruckt sein könnte. aa
 
b 5 # 5 (April 97). 44 Seiten, s/w mit Farbcover DIN A 5, kostenlos. Comics für Göttingen e. V., Postfach 1529, 37005 Göttingen
 
Das Göttinger Pendant zu „Plattform“ geht entschiedener in Richtung Stadtmagazin. Die Leser-Blatt-Bindung wird bemüht, die Comics sind unterhaltsamer und „szeniger“. Überhaupt setzt „b 5“ viel entschiedener auf Comics, die auch nicht ohne Mühen aus allen Teilen Deutschlands organisiert werden. Aufgefallen ist mir Pilis „!x Kino“, so richtig aus dem Leben eines Filmvorführers gegriffen. Außerdem vertreten: Dirk Tonn, Anja & Joy, Yasmin Abdulhack und andere. aa
 
New Worlds # 28. 120 Seiten, s/w, verstärkter Umschlag, DIN A 5, 6 Mark. Science Fiction & Fantasy Club New Worlds, Postfach 661, A-3100 St. Pölten
 
Dies ist ein Science Fiction-Fanzine, das mit Cartoons von Karsten Schley, Ulrich Magin, Jo 84, Milan Knezevic und anderen angereichert wurde. Für uns interessant könnte au-ßerdem das 32seitige Special „Das Königreich im Kopf“ von Milan Knezevic sein, in dem er die Entwicklung des Fandoms nachzeichnet (auch die Comicszene kommt am Rande vor) und das Phänomen darüber hinaus ansatzweise analysiert. Ich habe den Eindruck, daß SF-Fans nicht so gut damit zurechtkommen, daß ihr Engagement von der breiten Masse (auch der Konsumenten des Genres) nicht anerkannt wird. Lektor Wolfgang Jeschke beschrieb das mal so: „...daß ein großer Teil von regelmäßigen SF-Lesern ausschließlich Lesefutter will und sich keinen Deut für Hintergrundinformationen interessiert“. Knezevic kommt zu dem - nicht überraschenden - Ergebnis, daß die Liebhaberei diese Außenseiterstellung mit einschließt. Dennoch, es lohnt sich, sich mit dem Fandom auseinanderzusetzen. Da seine Spuren so flüchtig sind, wäre es wünschenswert, daß mehr Fans sie verfolgen und konservieren. aa
 
Comicer # 47 (März/April 1997). 16 Seiten, grünes Cover, DIN A 4, kostenlos. Comicer, Stiftstraße 39, 60313 Frankfurt/M
 
Bei der Frühjahrsausgabe des Frankfurter Infomagazins hat die Redaktion kräftig auf die Bremse getreten, Rubriken gestrichen und den Blick aufs Fandom deutlich eingeschränkt. Die Produktionskosten halten die Macher davon ab, ihr erfreulich kompetentes und kritisches Heft zum Fachmagazin auszubauen. Schade - trotzdem ist der Comicer unbedingt lesenswert. aa
 
Piccolo Magazin # 22. 46 Seiten, s/w mit gelbem Cover, Piccoloformat, 7 Mark plus 1,50 Mark Versand. Zugabe: Piccolo „Rocky. Sohn der großen Wälder“. Thomas Böhme, Gerauer Straße 76, 60528 Frankfurt/Main
 
Thomas ist zwar kein Hardcore-Wäscher-Fan, was die Lektüre seines Sekundärmagazins zweifellos erleichtert, aber er sammelt alles, was Piccoloformat hat, und da kommt er an Lehning nicht vorbei. Also gibt es eine schon seit mehreren Ausgaben laufende Reportage über eine Spurensuche des Anfang der 70er Jahre eingegangenen Verlags und ein ausführliches Porträt des bei Lehning veröffentlichten und kürzlich gestorbenen Zeichners Augusto Pedrazza („Peterle“, „Akim“). Die Redaktion fragt bei Hansrudi Wäscher an, ob ihm die französische Piccoloserie „Sigur“ bekannt ist (beunruhigende Auskunft seiner Gattin: Nein), und schließlich werden einige japanische Manga-Piccolos vorgestellt. Ein Piccolofan kommt um dieses Magazin schwerlich herum; für andere Leser ist es zumindest eine kuriose Lektüre. aa
 
Enpunkt. Zeitschrift für angewandtes Spießertum # 28 (Februar 1997). 60 Seiten, s/w mit violettem Cover, DIN A 5, 2 Mark. Klaus N. Frick, Leopoldstraße 29, 76133 Karlsruhe
 
Klaus N. Frick ist langjähriger PLOP-Leser, aber kein typischer Comicfan. Seine Brötchen verdient er mit dem Redigieren der einstigen Weltraum-Landser-Serie „Perry Rhodan“, privat ist er Punk, und das schlägt sich in seinem Egozine „Enpunkt“ unzweifelhaft nieder. Klaus füllt die 60 Seiten mühelos mit eigenen Texten, in denen er aus Punksicht die Welt erklärt. Ein kleinerer Teil entfällt auf Plattenkritiken, Bandporträts und Konzertberichte. Ein Schwerpunkt liegt (zumindest in dieser Ausgabe) auf Reiseberichten. Klaus schreibt amüsant und fesselnd, aber auch hartnäckig; bei dem Bericht über die Tour durch Senegal und Gambia hatte ich den Eindruck, daß er entweder ein fotografisches Gedächtnis oder einen Notizblock ständig in Reichweite hat. Statt Fotos zu reproduzieren, die dann häufig im unteren Bereich schwarz und darüber als diffuse Rasterung erscheinen („Sahel-Zone bei Bakel“), sollte Klaus vielleicht lieber mehr auf Zeichner wie Ulrich Magin zurückgreifen. aa
 
PLOP # 50. 32 Seiten, s/w, DIN A5, 3 Mark plus 1,50 Mark Porto. Thorsten Schmidt, Hauptstraße 16, 32457 Porta Westfalica.
 
Nicht weil es einige nicht erwarten konnten, sondern weil sie der Ansicht waren, nach 49 Ausgaben PLOP ihre Anerkennung für dieses publizistische Werk ausdrücken zu müssen, haben Anja & Joy, unterstützt von Jo Guhde diese Tribut-Nummer # 50 produziert. 22 Zeichner haben - wenn ich richtig gezählt habe - dazu etwas beigesteuert. Durch die Tim-artige Galerie auf den Umschlagseiten, die erst deutlich macht, was in 49 Ausgaben PLOP so alles drinsteckt, sind es sogar noch viel mehr. Den Reinerlös haben Anja & Joy übrigens schon vorab, also bevor die gesamte Auflage verkauft war, für das echte PLOP # 50 gespendet. Vielen Dank - im Namen aller Leser. aa
 
Alain Ayroles, Jean-Luc Masbou: Mit Mantel und Degen # 1. Das Geheimnis des Janitscharen. 48 Seiten, DIN A4, Farbalbum. 16,90 Mark. Carlsen
 
Fantasy-Alben liegen voll im Trend, wie die Verkaufszahlen des Splitter-Verlags beweisen. Noch mehr im Trend liegen Rollenspiele. „Laß uns doch aus unserem Rollenspiel einen Comic machen“, mögen sich die Newcomer Ayroles und Masbou gesagt haben, bevor sie die Hauptpersonen Don Armando de Maupertuis und Don Lope de Villalobos aus dem Rollenspiel „Contes et Racontars“ in ein Comicalbum übertrugen. Der Fuchs und der Wolf bewegen sich nun als einzige Tiergestalten unter Menschen in einer Erzählung, die mit reichlich Klischees angereichert wurde. Da darf die hübsche Zigeunerin ebensowenig fehlen wie der hinterhältige Auftraggeber, der schurkische Bösewicht und die unvermeidbare Schatzkarte. Ein bißchen Humor dazu (wobei ein kleines Häschen als Galeerensträfling eigentlich der einzig wirklich gute Gag ist), ab durch den Mixer, fertig. Erzählerisch dürfte das keinen mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Aber der Text dürfte kaum den Ausschlag dafür gegeben haben, die Reihe mit ins Programm zu nehmen. Dann wohl doch eher die Zeichnungen von Jean-Luc Masbou, die das Ganze wenigstens professionell umsetzen. Das Coleur directe-Verfahren erzeugt stimmungsvolle Farben, streckenweise recht grell und an anderen Stellen ziemlich sensibel. Die Farben sind vor allem dann eine Wucht, wenn er Wellen oder Wolken zeichnet. Trotzdem - gute Farben allein machen noch keinen Comic. jo
 
Bosse (Text), Michetz (Zeichnungen): Kogaratsu # 7. 48 Seiten, DIN A4, Farbalbum, Softcover, 16,90 Mark. Carlsen Verlag.
 
Kogaratsu dürfte einer der authentischsten und interessantesten Historiencomics sein, die das Medium zu bieten hat. So ist es nicht verwunderlich, daß mittlerweile schon der siebte Band der Reihe bei Carlsen erschien. Während die Bände 1 bis 4 einen Zyklus beinhalten, der in den Jahren 1982 bis 1992 entstand und Band 5 und 6 in sich abgeschlossene Einzelbände von 1992 bis 1994, greift Carlsen mit Band 7 erstmals auf eine Sammlung von fünf Kurzgeschichten zurück, die 1987 und 1988 geschaffen wurden und chronologisch vor dem Beginn des Zyklus einzuordnen sind. Die Entwicklung von einer eher an Schraffuren angelehnten Zeichnung hin zu einer etwas flächigeren Darstellung des Zeichners Marc Michetz (Jahrgang 1951) wird augenfälliger. Textlich bleibt Bosse (Serge Bosmans, Jahrgang 1954) natürlich weniger Spielraum als sonst für seine Ausarbeitungen. Er macht aus der Not jedoch eine Tugend und legt die Geschichten als kurze, philosophisch angehauchte Erfahrungen an, die sich auch gut ins Gesamtkonzept einfügen. Der vorliegende Band der Belgier ist also mal etwas anders aufbereitet als die bisherigen Alben, aber ebenso lesenswert. jo
 
Neon Lit (Band 1 und 2). 140 bzw. 128 Seiten, DIN A5, s/w, Farbcover, 16,90 Mark, Rowohlt
 
Auch Rowohlt startet in der Taschenbuchedition RoRoRo mit dem Abdruck von Comics. Die Reihe Neon Lit, die im Original von Bob Callahan und Art Spiegelman herausgegeben wird, enthält allerdings nur Bearbeitungen von modernen literarischen Kriminalromanen. Ziel des Unterfangens dürfte wohl sein, eine Brücke zu schlagen zwischen den besten Schriftstellern des Kriminalmetiers und den besten Comiczeichnern bzw Illustratoren. Und Neon Lit („where, in crime’s shadow, art and literature meet“) dürfte hierbei genau der richtige Ansatzpunkt sein. Zum einen, weil sich die Reihe allein durch den Namen des Herausgebers Art Spiegelman bis zu einer gewissen Auflage als Selbstläufer entwickeln wird, zum zweiten, weil auch die Autoren der Originalbücher nicht ganz unbekannt sein dürften, und zum dritten, weil hier wirklich auf eigenständige Größen wie David Mazzuchelli gesetzt wird, der selbst schon unter Kritikern einen hervorragenden Ruf genießt. Dies kommt (zum vierten) letztendlich dann wirklich der Qualität des Gesamtwerks zugute. Neon Lit startet in Band 1 mit der Adaption von Paul Austers „Stadt aus Glas“, dessen Text von Paul Karasik in Zusammenarbeit mit David Mazzuchelli für die Comicform bearbeitet wurde, der diesen dann illustrierte. Obwohl man auf dem Cover das Wort „Illustration“ verwendet, ist die Arbeit Mazzuchellis weit mehr als ein illustrierter Text, nämlich eine komplette Übertragung des Buches in die Comicform, wie sie professioneller nicht sein kann. Die Story selbst ist überaus fesselnd, ziemlich verwickelt und außerdem recht tragisch. Der Schriftsteller Quinn, der unter seinem Pseudonym William Wilson vor allem durch seine Detektivfigur Max Work zu Weltruhm gelangte, bekommt seltsame Anrufe. Der Mann am anderen Ende der Leitung will den Detektiv Paul Auster sprechen und läßt sich nicht abwimmeln, obwohl er falsch verbunden ist. Quinn, vom Leben frustriert, beschließt, sich als Auster auszugeben und den dringenden Fall anzunehmen, mit dem der Mann ihn beauftragt. Er soll den Auftraggeber Peter Stillman vor seinem Vater schützen, der als religiöser Fanatiker seinen Sohn neun Jahre lang isoliert einsperrte und nun aus der Psychiatrie entlassen wird. Um ihn verstehen zu können, muß sich Quinn in die geistiger Welt des Fanatikers hineinversetzen. Er merkt nicht, daß er selbst immer mehr in Richtung Wahnsinn abdriftet. Die komplexe Erzählung wird in simplen Schwarzweißbildern festgehalten, um den Lesefluß nicht unnötig durch viele Details zu hemmen. Trotzdem sind die Bilder, die oft in Symbole oder surreale Darstellungen abgleiten, fähig, eine Stimmung zu erzeugen, die einen gefangenhält. Ohne Zweifel ist „Stadt aus Glas“ eine der perfektesten Comicerzählungen der letzten Jahre. Leider kann man das von Band 2 der Reihe, „Perdita Durango“, nicht behaupten. Die Figur kommt auch in David Lynchs bekannter Verfilmung eines anderen Romans von Barry Gifford namens „Wild at Heart“ vor. Lynch hat die ursprüngliche Figur für seinen Film aber völlig verfremdet. Wie dem auch sei, die Geschichte ist langweilig und sinnlos, und die Bilder wirken hier wirklich nur wie Illustrationen zu einer Romanerzählung, denn die Schabkunst von Scott Gillis ist zu filigran für eine Comicerzählung und lenkt zu sehr von der (sowieso recht dürftigen) Handlung ab. In Vor- und Nachwort wird oft darauf hingewiesen, daß „Perdita Durango“ eine starke Frau ist. Trotzdem, die Welt ist ja ach-so-grausam, vor allem, seit ihre Schwester ermordet wurde, so eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Deshalb köpft sie mit ihrem Kumpel Romeo erstmal irgendeinen Indianer und nimmt ein Pärchen als Geiseln für später. Giffords Helden sind Amokläufer, die irgendwann so viele Leute wie möglich ermorden, weil das einfach toll ist. Wer diesen Möchtegern-“Natural Born Killers“-Abklatsch für Arme auch toll findet, kann sich das Buch ja anschaffen. Schon seltsam, daß innerhalb einer Buchreihe zwei solch unterschiedlich niveauvolle Bücher zum Abdruck kommen. Ich bin auf alle Fälle gespannt auf Buch 3 und 4. jo
 
Marc Hempel: Gregory. 120 Seiten, s/w mit Farbcover, Comicbookformat, Softcover, 24,80 Mark. Comic Press Verlag
 
Gregory erschien von 1989 bis 1993 als vierbändige Miniserie bei DC. Gerd Zimmer hat daraus einen ansprechenden Sammelband gemacht. Ein kleiner Junge mit überdimensionalem Kopf lebt isoliert in einer Gefängniszelle. Spielende Kinder schauen durchs Gitterfenster herein. Eine Ratte namens Hermann krabbelt aus dem Abflußrohr, oder die tantige Therapeutin Carol-Ann macht seltsame pädagogische Experimente mit ihm.Marc Hempel blickt meist wie mit einer unbeweglichen Kamera auf das bizarre Geschehen. Er zeichnet einfach und schielt nicht auf grafische Effekte, findet aber immer den richtigen Ausdruck für die Situation. Die Welt als Irrenhaus ist nichts absolut Neues (siehe etwa Dürrenmatts „Die Physiker“ oder „Einer flog übers Kuckucksnest“), aber Hempel hat daraus doch seine persönliche Welt gemacht, die ihn irritiert, ängstigt, die er aber, wie der Schluß nahelegt, doch nicht verlassen möchte. aa
 
Wallace und Gromit Fun Pack. CD-Rom, 69 Mark, über Ehapa
 
Feest/Ehapa schwimmen derzeit voll auf der „Wallace und Gromit“-Welle mit. Für November sind ein „Jahrbuch für Kaseliebhaber“ und eine Storyboard Collection angekündigt, und bereits erschienen sind eine Postkartenkollektion und das Buch „Unter Schafen“. Ebenfalls über Ehapa zu bekommen ist das „Wallace und Gromit Fun Pack“, eine für Windows 3.1, 3.11 oder Windows 95 taugliche CD-Rom, die BBC Multimedia auf den Markt brachte. Daß diese Dinger einigen Speicherplatz auf der Festplatte benötigen, dürfte hinlänglich bekannt sein. Ich mußte deshalb erst Anja & Joy besuchen, auf deren brandneuem Rechner dann alles lief. Die CD-Rom bietet kurze Videoanimationen der schönsten Szenen (die die harten Fans wohl schon auf Video besitzen dürften), spezielle Hintergründe und Signets für den Computer, Akustiksamples aus dem Film und so weiter. Interessanter sind da schon die Videospiele, deren Schwierigkeitsgrad einstellbar ist. Für Videospielamateure ist allerdings auch die erste Stufe schon recht diffizil. Höhepunkt ist wohl ein Quiz, bei dem Fachwissen über „Wallace und Gromit“ getestet wird. Die Spiele machen wirklich Spaß. jo
 
Wallace und Gromit. Unter Schafen und andere Abenteuer. 80 Seiten, DIN A 4, Hardcover, farbig, 19.80 Mark. Ehapa
 
Im Zuge der Vermarktung von Wallace und Gromit wird das intelligente Material natürlich auch für die jüngere Generation vermarktet, und was könnte sich da besser eignen als ein buntes Bilderbuch? Obwohl das eigentlich so recht niemand braucht, ist dagegen generell nichts einzuwenden. Aber die Aufbereitung hätte schon etwas schöner sein können. Eklig sieht’s nämlich immer dann aus, wenn die süßen Figuren schlecht aus den Standbildern herausgeschnitten auf grelle Hintergründe montiert wurden. Dies ist zum Glück nicht sooo oft der Fall, trübt aber den Gesamteindruck doch. Sicherlich wird sich das Buch gut verkaufen, aber wer mit dem Gedanken spielt, es sich zuzulegen, sollte vorher erst reinschauen. jo
 
Käpt’n Blaubär # 1. Seemannsgarn. 48 Seiten, farbig, Hardcoveralbum, 18 Mark. Ehapa
 
Schon seit Jahren werden Käpt’n Blaubärs Abenteuer, deren Figuren aus dem Kopf von Walter Moers entstammen, in Form von Zeitungsstrips veröffentlicht. Für die Realisation dieser halbseitigen und ganzseitigen Comics zeichnen die Berliner Honk Studios verantwortlich, hinter denen sich namhafte Comiczeichner wie Hansi Kiefersauer, Bert Henning und andere verbergen. Es war schon lange Zeit, die Abenteuer gesammelt zugänglich zu machen. Ich hätte nicht damit gerechnet, daß dies gleich in einer Hardcoveredition der Fall sein wird, finde den Ansatz aber gerechtfertigt. Was kann ich besseres schreiben, als daß ich mich bei dem Band wirklich amüsiert habe? Wenn man sich nicht daran stört, daß der Comic für ein seichteres Publikum geschaffen wurde und deshalb viele Gags eher harmloserer Natur sind, kann man den Honk Studios schon eine gute Arbeit bescheinigen. jo
 
Jean-Michel Charlier / Victor Hubinon: Buck Danny # 28 und 29. Je 48 Seiten, Farbalben, 16,90 Mark. Carlsen
 
Sicher wird sich so mancher von Euch fragen, wie ich dazu komme, gerade solche Alben hier zu besprechen. Nun, der Grund ist wohl, daß mich mit Buck Danny eine besondere Leidenschaft verbindet. Diese Albenreihe war nämlich der erste realistische Comic, den ich als Kind 1973 zu Gesicht bekam. Damals kannte ich noch nicht einmal Zack oder Primo, denn unser Tante Emma-Laden hatte sonst nur Micky Maus und Fix und Foxi... und eben „Die Abenteuer von Rex Danny“, wie die Bastei-Heftreihe zum taschengeldgerechten Preis von 1,50 Mark damals hieß. Mittlerweile ist ein Vierteljahrhundert ins Land gezogen. Carlsen hat sich entschlossen, die Fliegerserie aus den 50ern und 60ern als Albenreihe aufzulegen, dafür aber auch mehr als den einfachen Preis von damals zu verlangen. Trotzdem bin ich froh, daß diese Schätze aus meiner Kindheit in chronologischer Reihenfolge und vernünftiger Übersetzung wieder aufgelegt werden. Die Story dieser beiden Alben aus den Jahren 1967/68 ist recht einfach. Vor der Küste von Montegua stürzt ein amerikanischer Flieger mit einer Atombombe an Bord im Dschungel ab. Die unversehrte Bombe wird von dem einheimischen General Diaz geborgen, der sie im Bürgerkrieg gegen seinen Widersacher Gutierez einsetzen will. Danny und seine beiden Sidekicks Tumbler und Tuckson werden als Spione in Diaz’ Lager eingeschleust, um die Bombe zu entschärfen. Bei aller Kritik, die man über Verherrlichung von Patriotismus und Kriegsspielzeug anbringen könnte, muß man zugeben, daß die Alben sich auch heute noch sehr spannend lesen. Einziger Kritikpunkt in der Carlsen-Ausgabe ist für mich die fürchterliche Bonbon-Colorierung. Bei Bastei waren die Farben kräftiger und mit mehr Mischtönen angelegt, was dem Ganzen einen noch professionelleren Touch gab. Auch Farbverschiebungen kamen nicht so oft vor. Zuletzt würde mich noch interessieren, wer in Album # 28 die Seiten 28 bis 38 gezeichnet hat. Hubinon war’s jedenfalls nicht. jo
 
Niki Kopp / Timo Würz: XCT # 1. 48 Seiten, Farbe, Softcoveralbum, 16,90 Mark. Carlsen
 
Amerika irgendwann in der Zukunft. Aids gibt es nicht mehr, Marihuana ist legalisiert, und alle Waffen sind abgeschafft. Die Freundinnen Trish und Corky finden inmitten dieser langweiligen Zeiten ein pralles Waffenlager einer längst vernichteten Sekte. Sie gründen eine Stadt nur für Jugendliche; der Waffenfund bleibt jedoch geheim. Doch der Amateurverbrecher Nybakk bekommt Wind von dem Waffenarsenal, tötet Trish und nimmt Corky als Geisel. Er will den genauen Standort des Lagers erpressen, und droht, ein Konzert mit 25 000 Besuchern in die Luft zu jagen. Die SF-Reihe der jungen Newcomer Niki Kopp und Timo Würz (geboren 1973) ist eine nicht ganz ernst gemeinte Zukunftsvision, wie sie sich die typischen MTV-Kids von heute wünschen würden. Kein Mensch ist älter als Mitte 20, alle sind cool, modisch, hip und auf dem neuesten technischen Stand. Daß diese Züge der Geschichte unrealistisch sind, wissen Kopp und Würz selbst. Deshalb bauen sie diverse Details im Text ein, die wirklich zum Schreien komisch sind, zum Beispiel das Verhütungsmittel Vaginalpalm aus recycletem Sprengstoff. XCT ist kein Funnycomic wie Würz andere Reihe „Lula und Yankee“, sondern ein Abenteuercomic der modernsten Art mit einer Menge Selbstparodie. Die Grafik, in die die kühl gehaltene Computerschrift eingebettet ist, ist eine einzige Farbexplosion. Die Bilder, die direkt in Farbe gemalt wurden, lassen sich manchmal mit einem etwas unsauberen Artwork von Corben vergleichen; nur daß sie viel geiler sind. Die einzelnen Panels wurden dann noch am Computer bearbeitet, zum Beispiel die Schärfe des Hintergrunds ein wenig verwischt. Eine geniale Technik, die manche der Bilder fast wie Fotos aussehen läßt. Der Zweiteiler, der im September vollständig vorliegen soll, ist der oberen Riege der diesjährigen Comicereignisse zuzurechnen. Ein Werk, das das vielzitierte Generation X-Klischee so gut wiederspiegelt wie kein zweites bisher. jo
 
Jean van Hamme/Ted Benoit: Blake und Mortimer # 10. Der Fall Francis Blake. 72 Seiten, farbig, Albumformat, 19,90 Mark. Carlsen
 
Nachdem Band 9 nach dem Tod des Künstlers Edgar P. Jacobs von Bob de Moor vollendet worden war, sind einige Jahre ins Land gezogen. Da die Erben Jacobs’ nicht wie im Fall des Starzeichners Herge eine Fortführung der Serie untersagt haben, wurde sie fortgeführt. Gesucht und gefunden haben sich da Texter Jean van Hamme („XIII“, „Thorgal“) und Zeichner Ted Benoit („Ray Banana“), die dem europäischen Comicleser schon seit vielen Jahren keine Unbekannten mehr sind. Im Gegensatz zu den letzten Alben, die noch unter Originalautor Jacobs zeitlich bis in die 70er Jahre vorgedrungen waren, besann sich das neue Team auf die Glanzzeit der Serie in den 50er Jahren und verlegte ergo auch die Handlung in diese Zeit. Wie in den frühen Alben spielt die Geschichte wieder in England, von wo aus sie sich bald nach Schottland verlagert. Ein Spitzel in den eigenen Reihen macht es dem britischen Geheimdienst schwer, und noch verwirrender wird es, als gerade Francis Blake auf einem Foto als der langgesuchte Spion entlarvt wird. Von den eigenen Leuten gejagt und selbst auf der Suche nach dem Spitzel begibt er sich nach Schottland, wo er auf seinen Erzfeind Olrik trifft. Der Plot hat alles, was die Fans ursprünglich an der Serie so liebten. Simple, aber immer wieder wirksame Tricks helfen Blake und Mortimer, sich durch die aussichtslos erscheinende Geschichte zu hangeln. Die Spannung wird dabei im größten Teil des Albums aufrechterhalten. Deja-Vus wie der flüchtende Olrik auf der letzten Seite sind absichtlich eingebaut. Auch Benoit als Zeichner macht seine Sache sehr gut. Die Grafik ist etwas mehr an die Ligne-Claire mit ihren Strichstärken angelehnt als die ursprünglichen Alben, was dem Band aber gut tut. Die Textlastigkeit der Serie wurde beibehalten, ohne daß damit die Bilder erdrückt werden, wie das früher manchmal der Fall war. Die Colorierung von Madeleine De Mille ist nuanciert genug, um alte Alben zu übertreffen, ohne einen Stilbruch darzustellen. jo
 
Mezieres/Christin: Valerian und Veronique # 16. Im Bann von Ultralum. 60 Seiten, farbig, Albumformat, 19,90 Mark. Carlsen.
 
Alle paar Jahre legen Mezieres und Christin einen Valerian-Band vor, der sich in seiner Originalität nahtlos in die Reihe einfügt, ohne diese zu überbieten oder abzufallen. „Im Bann von Ultralum“ bildet hierbei keine Ausnahme. Der in sich abgeschlossene Band, der 1996 bei Dargaud erschien, bietet weder gänzlich neue Grafik noch wahnsinnig innovative Handlung, sondern einfach eine Geschichte von einem eingespielten Team. Der Reiz liegt wiederum in den köstlichen Ideen, der Darstellung außerirdischer Erscheinungen und Verhaltensweisen, mit denen die recht simple Geschichte wieder kräftig gewürzt ist. Alles beginnt in einem äußerst luxuriösen Hotel, in dem sich Valerian und Veronique während einer Reise aufhalten. Leider wird vor ihren Augen der Thronfolger des Großkalifen von Iksaladam entführt, und Veronique muß die Entführer ebenfalls unfreiwillig begleiten. Valerian begibt sich mit einer recht unangenehmen Begleiterin auf die Suche und begegnet während dieser Suche wieder allerhand skurrilen Wesen. Bis zum Happy-End bietet dieses Album nicht mehr und nicht weniger als gute Unterhaltung. jo
 
Yuzu Takada: 3x3 Augen # 1. 64 Seiten, s/w mit Farbumschlag, amerikanisches Format, 16,90 Mark. Carlsen
 
Die Mangawelle schwappt weiter über Deutschland. Nachdem der Großteil der eher verwestlichten Mangas (wie „Akira“) in diesem Zuge veröffentlicht ist, wagt man sich auch langsam an diejenigen Comics, die schon eine gewisse Manga-Vorbildung erfordern. „3x3 Augen“ ist einer jener Comics, die selbst geübte Comicleser leicht überfordern können, wenn sie die typisch japanische Bildsprache nicht perfekt beherrschen. Gefühle werden extrem überzeichnet oder traditionell völlig anders dargestellt. Kann man das nicht erfassen, so fühlt man sich von der Handlung verwirrt, die zudem nicht sonderlich originell ist. Yakumo begegnt eines Tages dem jungen Mädchen Pai, das - welch ein Zufall - ihn schon seit etlichen Jahren sucht. Pai ist die letzte der rätselhaften Rasse der Triklopen, die sich von Menschen vor allem durch ein drittes Auge auf der Stirn unterscheiden. Ihr einziger Wunsch ist es, ein Mensch zu werden, wobei Yakumo ihr helfen soll. Aber auch ein Dieb und ein Fabelwesen zeigen Interesse an dem ungleichen Pärchen. Yakumo wird tödlich verletzt, von Pais magischen Kräften aber sogleich wieder zum Leben erweckt. Die abstruse Storyline ist zeichnerisch routiniert in Szene gesetzt. Wie für einen Manga typisch werden Stilmittel wie Speedlines verstärkt eingesetzt. Stories, in denen jede Ungereimtheit mit Magie oder übernatürlichen Kräften erklärt wird, sind mir schon immer suspekt gewesen. jo
 
Haldeman/Marvano: Dallas Barr # 1. 48 Seiten, farbig, Albumformat, 18,90 Mark. Carlsen
 
Wir schreiben das Jahr 2075: Dallas Barr, mit seinen 132 Jahren der zweitälteste Mann der Welt, braucht eine Million, damigt er sein Leben durch eine spezielle Behandlungsmethode um eine weitere Phase verlängern lassen kann. Juliums Stileman, der diese Methode entwickelt hat, bietet Barr ein Tauschgeschäft an: eine Gratisbehandlung als Gegenleistung für die Übernahme eines brisanten Auftrags in dem von einer Revolution aufgewühlten Key West. Joe Haldeman und Marvano (Mark van Oppen) legen mit dem in sich abgeschlossenen Erstlingsband von „Dallas Barr“ ein starkes Stück Science Fiction vor. Das Team, von dem auch schon die SF-Reihe „Der ewige Krieg“ bei Carlsen erschienen ist, legt Wert auf realitätsbezogene Fiktionen. Die Darstellungen von Technik und politischen Abläufen wirken glaubhaft. Der Band ist spannend, nachvollziehbar und zeichnerisch geradlinig. Die hervorragende Colorierung von Bruno Marchand gibt dem Album den letzten Schliff. jo
 
Cailleteau/Bayram: Cryozone # 1. Böses Erwachen. 48 Seiten, farbig, Albumformat, 18,90 Mark. Carlsen
 
Im Jahre 2059 durchquert die „UNSS Neil Alden Armstrong“ bereits zehn Jahre lang mit 10 000 Menschen an Bord das Universum, um einen Planeten außerhalb des Sonnensystems zu besiedeln. 400 Besatzungsmitglieder sind jeweils für sechs Monate im Einsatz, während der Rest die Reise in einem kälteschlafähnlichen Zustand in den Cryotek-Kammern verbringt. Nach einem Zwischenfall explodiert jedoch die Zentraleinheit der Kältekammern, und das System läßt sich nur noch für zehn Stunden stabil halten. Newcomer Denis Bajramliefert in seinem ersten Album ein recht passables Artwork ab, ohne jedoch über einen wirklich eigenen Zeichenstil zu verfügen. Auch die Farbgebung von Florence Breton ist ganz okay. Am Text von Thierry Cailleteau hapert es jedoch noch gewaltig. Ein bißchen was aus „Alien“ geklaut, ein paar zuviel Zombiefilme gesehen und in endlosen Texten unheimlich viel technisches Know-how durchblicken lassen. Spannend wird das Album dadurch natürlich noch nicht. jo
 
Sfar/Munuera: Die Potamoks # 1 und 2. Je 48 Seiten, farbig, Albumformat, 18,90 Mark. Carlsen
 
Der auf dem abgelegenen Arichipel Eurysthe öebende Professor Asclepius glaubt fest daran, daß sich im Laufe der Evolution irgendwo auf der Welt auch andere menschenähnliche Lebensformen entwickelt haben könnten. So wird erstmals in der Geschichte des friedliebenden Landes eine entbehrliche Crew, bestehend aus Insassen einer Irrenanstalt für eine Erkundungsreise über das endlos weite Meer zusammengewürfelt. Tatsächlich trifft die Mannschaft auf andere Menschen: Piraten, die sie bestialisch grausam umbringen wollen. sie fliehen mit Hilfe der Potamoks, fremdartiger Wesen, halb Mensch, halb Schwein. Doch damit fängt das Abenteuer erst an. Die Albenreihe Potamoks könnte man als Mischung aus Fantasy- und Splattercomic bezeichnen. Was als Erkundungsreise beginnt, endet bald in einem gegenseitigen Abschlachten, bei der eine ausgefallene Tötungsart die andere überbietet. Bei der Darstellung von Gewalt ist Zeichner Munuera erstaunlich wenig zimperlich, so daß eine unzensierte Veröffentlichung bei Carlsen verwundert. Zeichnerisch und farblich sind die Bände wirklich eine Augenweide. Die Geshichte jedoch kann nicht sonderlich begeistern. Man nehme möglichst viele fremde Lebensformen, zwei Handvoll Klischees, etliche Prisen Magie (wenn die Story sonst in eine Sackgasse geriete), viel Gewalt und eine Prise Pseudoweisheiten, und schon haben wir einen Fantasycomic. jo
 
Diverse: Uderzo von seinen Freunden gezeichnet. 48 Seiten, farbig, Albumformat, Hardcover, 14,80 Mark. Ehapa.
 
Ach ja, Uderzo hat es schon schwer. Andauernd wollen hunderte von armen Schluckern mit seinem Asterix ein paar Mark verdienen, während er selbst sich kaum einen zwanzigsten Porsche leisten kann. Und dann kommen Verlage auch noch immer auf so komische und nicht mal neue Ideen wie zum Beispiel „Hommagebände“. Die bitten vorher um Erlaubnis und können nicht einmal verklagt werden. Das ist bitter. Anlässe für solche Bände findet man immer; diesmal ist’s der 70. Geburtstag Uderzos. 26 Zeichner und Texter verwursten nun Asterix-Geschichten in ihrem eigenen Stil, was den Band gut gemischt erscheinen läßt. Viele der Künstler sind hierzulande völlig unbekannt, da der Band direkt aus Frankreich übernommen wurde. Das macht aber nichts, da sich ein Band mit Asterix und Obelix auf dem Cover trotzdem verkaufen wird. Interessant wird es für uns, wo einigermaßen bekannte Leute wie Franz, Crisse, Fauche, Rouge, Rodolphe oder Corteggiani Asterix in ihrem ureigenen Zeichenstil präsentieren oder Anekdoten aus Uderzos Leben als Grundlage nehmen. Die knapp 20 Geschichten sind im Mix schon recht interessant, und wer Asterix mal realistisch gezeichnet oder als abgehalfterten Typen sehen will, sollte mal reinschauen. jo
 
Ulrich Schröder/Floyd Gottfredson: Micky Monstermaus. 48 Seiten, farbig, Albumformat, 16,80 Mark. Ehapa
 
Nachdem die Barks-Collection so erfolgreich läuft wie sonst nur Asterix, entschied sich Ehapa wohl dafür, auch andere klassische Zeichner ins Programm zu nehmen. Floyd Gottfredsons Geschichte „Micky im Bann der Höllenstrahlen“ wurde vom 12. November 1932 bis zum 10. Februar 1933 als Tagesstreifen veröffentlicht. Hintereinandermontiert macht die Geschichte mit 26 Seiten den Löwenanteil des Albums aus. Obwohl Story und Farben 65 Jahre später natürlich unzeitgemäß wirken und auch der Druck zu wünschen übrig läßt, ist es löblich, den schwer erhältlichen Klassiker wieder zugänglich zu machen. Anstatt jedoch eine andere klassische Geschichte von Gottfredson zu ergänzen, wird der Band mit einer völlig konstruiert wirkenden Geschichte von 1996 zusammengepackt, die aus rein kommerziellen Überlegungen entstand und sich auch so liest. Verantwortlich dafür sind Disneys neue Trickfilmwunderkinder Ulrich Schröder und Andreas Deja, die zuvor noch nie einen Comic gemacht haben. Was im Film wirkt, kommt im Comic stinklangweilig daher. Interessant ist lediglich die Abhandlung zur Entstehung des Albums von Klaus Strzyz und die unerwarteten Ideen des Disney-Konzerns zur weitern Vermarktung von Micky. Daß die mal zugeben, daß die Persönlichkeit von Micky Maus praktisch gegen Null geht und Donald Duck weit unterlegen ist, hätte ich nie für möglich gehalten. Schade, daß sie auf der Suche nach dem ultimativen neuen Micky wieder ins Klo gegriffen haben. jo
 
David Lapham: Stray Bullets # 4. Bonnie und Clyde. 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comic-bookformat, 7,80 Mark. Feest
 
Diese Ausgabe begeistert ebenso wie die drei vorangegangenen Hefte. Das Konzept wurde beibehalten: Wieder ist die Geschichte in sich abgeschlossen, innerhalb der Reihe jedoch nur ein Teil einer in sich verflochtenen großen Erzählung. Diesmal geht es um die kleine Virginia, die von zuhause wegläuft und von Paul Barrow im Auto mitgenommen wird. Barrow kommt die noch leicht zu beeinflussende Kleine recht. Er erschleicht ihr Vertrauen, um sie zu benutzen. Wieder zieht Lapham alle Register seines Könnens. Von einem realitätsbezogenen Ausgangspunkt entwickelt sich die Story bald zu einer komplexen Erzählung, die wirre Traumsequenzen ebenso beinhaltet wie Spannung und eine falsche Fährte für den Leser, der Barrow zwar immer mißtraut, aber nie genau weiß, was dieser vorhat. Die Reihe ist einfach ein Meisterwerk. jo
 
Lawrence Meyers/Astrid Vohwinkel: Outer Limits # 1. Unter dem Bett. 48 Seiten, farbig, Comicbookformat, Softcover, 16,80 Mark. Feest
 
Diese Mystery-Serie hat im Gegensatz zu „Akte X“ und Konsorten keinen festen Besetzungsstamm, sondern präsentiert in sich abgeschlossene Folgen, die nur alle irgendwie unerklärlich oder mysteriös sein müssen. Feest konnte sich die Rechte sichern, ausgewählte Episoden mit heimischen Zeichnern selbst zu adaptieren. Die drei jungen Zeichnerinnen Astrid Vohwinkel, Sabine Weiss und Anke Siebert sollen abwechselnd je eine Folge zu Papier bringen. Astrid Vohwinkel, die den deutschen Text, Zeichnungen und Lettering des ersten Bandes erstellte, liefert eine mittelprächtige Arbeit ab. Zwar enthält ihr Zeichenstil keine anatomischen Mängel, ist jedoch manchmal noch ein bißchen grob in der Darstellung. Die Farbgebung ist okay, haut einen jedoch nicht vom Hocker. Da auch das Originalscript von Lawrence Meyers sicher nicht das spannendste der ganzen Serie ist, bleibt abzuwarten, welche Ideen und Umsetzungen die weiteren Alben bieten. jo
 
Luc Brunschwig/Servain: Warrens Schwur # 1. Das 19. Opfer. 56 Seiten, farbig, Albumformat, Softcover, 22,90 Mark. Carlsen
 
1967 tötet der Navajo-Indianer Warren Wednesday eine Familie und wird in einer Gaskammer Amerikas hingerichtet. 14 Jahre später ermordet ein Indianerjunge, der behauptet, die Reinkarnation Wednesdays zu sein, einen der zwölf Geschworenen des damaligen Prozesses. Stan und Johnny, die von dem Mord wissen, beschließen, den gleichaltrigen Warren nicht an die Polizei auszuliefern. Doch Johnny ändert seine Meinung, als Warren immer unverblümter ankündigt, auch alle anderen Beteiligten an seiner Hinrichtung töten zu wollen. Er verrät Warren. Der wird inhaftiert, kann aber fliehen. Vier Tage später wird Stan ermordet, und Johnny entgeht nur durch Flucht diesem Schicksal. Elf Jahre lang lebt Johnny in Furcht,bis Warren eines Tages erscheint. Texter Luc Brunschwig baut das erste Album des fünfteiligen Thrillers sehr geschickt auf. Die Handlung beginnt 1992 mit mehreren Rückblenden oder Anspielungen auf die Vergangenheit und verlagert sich in der zweiten Hälfte des Albums ins Jahr 1981, in dem einige Zusammenhänge geklärt werden. Es bleiben aber noch genung Fragen offen, um die weitern Bände zu füllen. Zeichnerisch könnte man das Werk durchaus für einen amerikanischen Comic halten, was natürlich das Feeling für die Handlung verstärkt, da diese ja in Amerika spielt. die wundervolle Colorierung von Claude Guth tut ihr übriges, um den Band über den Durchschnitt zu heben. Einziges Manko sind wie so oft die völlig überzogenen Preisvorstellungen des Carlsen-Verlags. jo
 
Berthet/Yann: Pin up # 1. 60 Seiten, farbig, Albumformat, 29,80 Mark. Salleck Publications Eckart Schott Verlag
 
Bedenkt man, daß das Medium mehr als 100 Jahre alt ist, so fällt auf, daß sich Comics nur sehr wenig mit sich selbst beschäftigt haben. Womöglich ist das Selbstbewußtsein der Comiczeichner so angeknackst, daß sie sich einen Comiczeichner als Held nicht vorstellen können. Hier haben wir einen: den berühmten Milton Caniff, der in den USA bei Kriegseintritt 1942 mit erotischen Zeitungsstrips die Moral der Truppe hebt. Berthet und Yann verhehlen nicht ihre Bewunderung für den beliebtesten Stripzeichner der 30er bis 50er Jahre, der zum Vorbild für Scharen anderer Zeichner wurde. Aber ihr Interesse gilt mehr noch dem Zeitkolorit, den Charakteren im Umfeld wie der Zigarettenverkäuferin Dottie, die zum Vorbild für Caniffs Pin-up-Serie „Poison Ivy“ wird. Die kriegstrunkenen USA werden genau so in Szene gesetzt, wie es Berthets der Ligne Claire verpflichtetem Zeichenstil entspricht. Wegen zehn Seiten Pin up-Skizzen zusätzlich zum 48-Seiten-Album muß der Leser rund zehn Mark mehr berappen. Das Album ist ein paar Mark mehr schon wert. Endgültiges wird man über „Pin up“ aber wohl erst nach dem dritten Band der Miniserie sagen können. aa